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© dpa

Weltverbrauchertag: Schlechter Rat wird teuer

Protokolle und Infoblätter sollen Bankkunden schützen. Gegen den Verkaufsdruck in den Instituten hilft das wenig.

1970 war es, als Rio Reiser, Sänger der Berliner Band Ton Steine Scherben, seine Fans zum Handeln aufforderte: „Macht kaputt, was Euch kaputt macht.“ Die deutschen Verbraucherschützer finden diese Zeile offenbar immer noch gut. Anlässlich des Weltverbrauchertages wollen sie an diesem Montag in Berlin toxischen Finanzschrott schreddern. Schlechte Produktinfos, falsche Beratungsprotokolle, miese Finanzprodukte – all das soll publikumswirksam zerhäckselt werden.

Gut zweieinhalb Jahre nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman und dem Ausbruch der Finanzkrise, die Millionen Menschen um ihr Erspartes gebracht hat, sehen Verbraucherschützer und Gewerkschafter keine Besserung, im Gegenteil: „Keine Bankengruppe hat aus der Krise viel gelernt, egal ob es die Genossenschaftsbanken, die Privatbanken oder die Sparkassen sind. Alle haben den Vertriebsdruck auf ihre Beschäftigten aufrechterhalten oder erhöht. Von den Kundenberatern werden unrealistische Umsätze erwartet“, sagt Verdi-Vorstand Uwe Foullong, der auch im Aufsichtsrat der Commerzbank sitzt. Er verweist auf eine Umfrage, die Verdi bei Bankmitarbeitern gemacht hat (siehe Artikel rechts).

Bei der Union will man nicht so pauschal auf die Banken eindreschen. „In der Allgemeinheit gilt das so nicht“, weist Lucia Puttrich, verbraucherpolitische Berichterstatterin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Kritik am Verkaufsgebaren der Bankberater zurück. Dennoch räumt auch die CDU-Politikerin ein, dass bei den Geldhäusern noch einiges im Argen liegt. „Es gibt Banken“, berichtet die Abgeordnete, „die betrachten die Beratungsprotokolle als lästiges Übel“. Seit Jahresanfang müssen die Institute die Anlageberatung ihrer Kunden dokumentieren. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hat bereits angekündigt, dass sie testen will, was diese Protokolle taugen. Die FDP macht schon jetzt „Nachbesserungsbedarf“ aus. „Ich will kein Beratungsprotokoll mit 30 Seiten oder ein Produktinformationsblatt mit zehn Seiten“, betont Erik Schweickert, verbraucherschutzpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Ein oder zwei Seiten müssten reichen.

Beratungsprotokolle und Beipackzettel, das sind die Instrumente, mit denen die Politik versucht, die Verbraucher vor falscher Beratung zu schützen. Die Protokolle sind gesetzlich vorgeschrieben, die Produktinformationsblätter geben die Geldhäuser freiwillig aus. Sparkassen und Privatbanken haben unterschiedliche Formulare, auch die ING Diba und die Deutsche Bank gehen eigene Wege. „Es muss ein einheitliches Formular geben“, fordert die verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Elvira Dobrinski-Weiß. Die Sozialdemokratin kritisiert die Ministerin. „Aigner setzt immer auf freiwillige Lösungen“, schimpft Dobrinski-Weiß, „das dauert zu lange.“ Nach Meinung der SPD sollte das Ministerium Muster für Beratungsprotokolle und Produktinformationsblätter gesetzlich vorschreiben. Zudem will die SPD einen Marktwächter für Finanzen berufen, der den Bankkunden hilft.

Regelungsbedarf gibt es auch für den „Grauen Kapitalmarkt“. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will bis zum Sommer einen Gesetzentwurf vorlegen, der auch hier den Anlegerschutz stärken soll. Produkte des „Grauen Kapitalmarkts“ wie geschlossene Immobilienfonds sollen künftig dem Wertpapierhandelsgesetz unterliegen und unter die Finanzaufsicht fallen. Die Verkaufsprospekte sollen ausführlicher und von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) kontrolliert werden. Zudem will Schäuble den Vertriebsdruck bei den Banken staatlich reglementieren: „Anlageberater und Personen, die in den Instituten Einfluss auf Vertriebsvorgaben nehmen, sollen künftig durch die Institute bei der Bafin registriert werden“, heißt es. Glaubt man Verdi, wird die Bafin eine lange Liste anlegen.

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