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Brandenburg: Vernachlässigte Jungen bleiben vorerst in Pflegefamilie

Gemeinde ließ Grundstück der Eltern öfter kontrollieren – wegen des Geflügels

Von Sandra Dassler

Blankenfelde - Der sechsjährige Rosario und der vierjährige Leon, die in einem nicht geheizten und verdreckten Anbau eines Hauses in Blankenfelde entdeckt wurden, müssen vorläufig nicht nach Hause zurück. Ihre Eltern haben bislang keinen Widerspruch gegen die einstweilige gerichtliche Anordnung eingelegt, die Kinder in einer Pflegefamilie unterzubringen, sagte der Direktor des Amtsgerichts Zossen, Michael Friedrich. Wie berichtet, hatte die Polizei die Jungen in der Nacht zu Dienstag zufällig in dem eiskalten Raum aufgefunden. Da die Körpertemperatur der Kinder nur noch 35 Grad Celsius betrug, wurden sie ins Krankenhaus und später in eine Pflegefamilie gebracht.

Nach Tagesspiegel-Informationen hatten hatten Mitarbeiter des Ordnungsamtes Blankenfelde die Familie in den vergangenen Monaten auf Anzeigen der Nachbarn hin bereits mehrmals aufgesucht. Jedoch nicht, um nach den Kindern zu sehen, sondern wegen der Hühner, die auf dem Grundstück scharrten, obwohl wegen der Vogelgrippe-Gefahr Stallpflicht galt. Das Haus hätten die Ordnungsamtsmitarbeiter zur Durchsetzung der Verordnung zum Schutz des Geflügels nicht betreten müssen, sagt Blankenfeldes Bürgermeister Ortwin Baier: „Es reichte, dass die Hühner in den Stall gescheucht wurden.“ Zuvor habe es schon andere Anzeigen von Nachbarn gegeben. Auch die betrafen aber nie die beiden Kinder, sondern die vier großen Hunde der Familie, die angeblich gequält wurden oder als aggressiv aufgefallen seien.

„Wenn uns irgendetwas über misshandelte Kinder zu Ohren gekommen wäre, hätten wir sofort das Jugendamt verständigt“, sagt der Bürgermeister: „Ich hatte selbst viele Pflegekinder und kann nur hoffen, dass die beiden Söhne nur dann zu den Eltern zurückkommen, wenn sie dort menschenwürdig behandelt werden.“

Das zuständige Jugendamt in Luckenwalde hat inzwischen beantragt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder, die Gesundheitsfürsorge und die Berechtigung für Anträge auf Hilfe zur Erziehung übertragen zu bekommen. Das Familiengericht prüft die Voraussetzungen, unter denen eine Trennung der Kinder von den Eltern geboten ist. Eine vorläufige Entscheidung darüber wird es nach Auskunft des Gerichtsdirektors frühestens in zwei Wochen geben.

Das Jugendamt hatte die Familie seit Geburt der Kinder betreut, am Mittwoch aber jede Verantwortung für den verwahrlosten Zustand der Jungen von sich gewiesen. Die Eltern hätten Hilfsangebote nur zögerlich angenommen, obwohl sie offensichtlich überfordert waren, hieß es. Man habe von hygienischen Mängeln gewusst, allerdings sei dies noch kein Grund, um Kinder aus ihren Familien zu holen.

Zeitweilig war aber genau das geschehen: Als Rosario 2004 eine Verbrennung erlitt, gingen die Mitarbeiter des Jugendamts nach eigenen Angaben davon aus, dass „unter den gegebenen hygienischen Bedingungen eine Heilung der Haut nicht gewährleistet gewesen wäre“. Für vier Wochen kam Rosario in die Pflegefamilie – bis er wieder gesund war.

Gegen den 39-jährigen Vater, der mit der 28-jährigen Mutter der Jungen unverheiratet zusammenlebt, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Vernachlässigung von Schutzbefohlenen. Als die Polizisten ihn fragten, warum er die Kinder in dem eiskalten Raum unterbrachte, soll er geantwortet haben: „Die wollten das doch selbst so.“

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