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Brandenburg: Viel Lärm um die stillen Beobachter

Wegen der geplanten Videoüberwachung im Land ist es zu einem heftigen Streit zwischen der Polizei und dem Innenministerium gekommen. Polizeigewerkschaftschef Andreas Schuster kritisierte gestern, dass sich Polizeibeamte wegen eines vom Innenministerium angeordneten "Maulkorbes" nicht mehr zur Videoüberwachung äußern dürften.

Wegen der geplanten Videoüberwachung im Land ist es zu einem heftigen Streit zwischen der Polizei und dem Innenministerium gekommen. Polizeigewerkschaftschef Andreas Schuster kritisierte gestern, dass sich Polizeibeamte wegen eines vom Innenministerium angeordneten "Maulkorbes" nicht mehr zur Videoüberwachung äußern dürften. Schuster: "Es ist fast wie zu DDR-Zeiten." Das Ministerium von Jörg Schönbohm verkündete gestern, in zehn Tagen, am 21. Dezember, die Videoüberwachung des Bahnhofsvorplatzes in Potsdam zu beginnen. Wegen Lieferschwierigkeiten hat sich der ursprünglich für gestern anberaumte Termin verzögert.

Zuvor hatte das Innenministerium "mit sofortiger Wirkung" angewiesen, dass Presseauskünfte zur Videoüberachung nur vom Pressesprecher des Innenministeriums gegeben werden dürften. Nicht mit ihm abgestimmte Auskünfte von mit der Videoüberwachung beauftragten Polizeibeamten hätten "zu unterbleiben". Polizeigewerkschaftschef Schuster kommentierte die Anweisung mit den Worten, dass Kritik an politischen Vorgaben von Schönbohm unerwünscht sei. Polizeibeamte, die gegebenenfalls in Grundrechte eingreifen und als letztes Mittel die Schusswaffe einsetzen könnten, "dürften sich nicht gegenüber Medien zu politischen Fehlentscheidungen äußern". Für Schuster ein nicht hinnehmbares Vorgehen des Innenministers, "der Stärke demonstrieren will".

Hingegen erklärte Ministeriums-Sprecher Heiko Homburg, dass lediglich "ein alter Erlass zur Pressearbeit" durchgesetzt werde. Homburg bestritt nicht, dass mit der Videoüberwachung des Bahnhofsvorplatzes in Erkner betraute Polizisten mit kritischen Äußerungen zu ihrer Arbeit den Anlass geliefert hätten: Sie hatten unter anderem erklärt, dass zwar die Straftaten auf dem Bahnhofsvorplatz Erkner zurückgegangen seien, dafür jedoch mehr Delikte in den Seitenstraßen registiert würden. Außerdem könne die Wache Erkner nur zwei von drei Streifenwagen besetzen, einer müsse sich davon jetzt ständig in der Nähe des Bahnhofsvorplatzes aufhalten. Falsch, sagt dazu Homburg. Man habe die Videoüberwachung in Erkner am 9. November gestartet. Nach so kurzer Zeit ließen sich keine Feststellungen über eine angebliche "Kriminalitätsverdrängung" treffen. Außerdem habe die Wache Erkner zusätzliches Personal erhalten.

Laut Polizeigewerkschaftschef Schuster gibt es in Brandenburg keine Kriminalitätsschwerpunkte, die Videoüberwachung rechtfertigten. Erkner beweise, dass Kriminalität so nur verdrängt werde. Schuster hält auch die Überwachung des Potsdamer Bahnhofsvorplatzes für "Unfug". Nach Angaben der "Volksinitiative zur Stärkung der Grund- und Bürgerrechte gegenüber der Polizei" werden im Bahnhofsumfeld pro Tag statistisch 0,68 Straftaten registriert, die sich auf Kraftfahrzeuge und Fahrräder konzentrierten. Nach Ansicht der Initiative ließe sich das mit einem bewachten Parkplatz beenden. Das Innenministerium will die Videoüberwachung trotzdem in weiteren Städten testen: Neben Potsdam werden derzeit Anlagen in Rathenow (Großdiskothek) und Bernau (Bahnhofsvorplatz) installiert. Im nächsten Jahr sollen Zepernick, Königs Wusterhausen, Guben, Frankfurt (Oder) und Cottbus folgen.

Michael Mara

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