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Brandenburg: Von Stolz keine Rede

Thorsten Metzner wünscht sich mehr Selbstbewusstsein im Parlament

Wir ahnten es schon, nun ist es erwiesen: Um das Seelenleben unserer Abgeordneten ist es nicht zum Besten bestellt. Eine Studie der Universität Jena brachte es ans Licht: Der gemeine Parlamentarier der Hauptstadtregion leidet darunter, dass sein Potsdamer Landtag/Berliner Abgeordnetenhaus immer weniger Einfluss habe, der Takt der Gesetzgebung mehr und mehr von den Landesregierungen vorgegeben werde. Folgt auf die grassierende Politikverdrossenheit des Wahlvolks jetzt die Verdrossenheit seiner Repräsentanten?

Was die berlin-brandenburgischen Volksvertreter im Schutz einer anonymisierten Umfrage über ihr Selbstverständnis, ihre Rolle und die eigenen Grenzen offenbarten, kann einerseits nicht überraschen. In den letzten Jahrzehnten hat es in Deutschland objektiv einen Bedeutungsverlust der Länder und damit auch ihrer Parlamente gegeben. Immer mehr Gesetzgebungszuständigkeiten wanderten zum Bund, zur EU – viel ist nicht geblieben für die Landesbühne. Und trotzdem mutet der kollektive Jammer der Mandatsträger merkwürdig an: Es gibt nämlich auch einen Bedeutungsverlust, den sich die Parlamente selbst zuzuschreiben haben – durch vorauseilenden Verzicht auf Souveränität. Wenn 79 Prozent (sic!) der Abgeordneten in Brandenburg und Berlin sich wünschen, dass das Parlament selbst häufiger Ausgangspunkt von Gesetzgebung sein möge, dann möchte man ihnen zurufen: Hey, bitte schön, dafür seid Ihr gewählt, niemand hindert Euch!

In Brandenburg aber kann man besonders eindrücklich studieren, dass die Realität anders aussieht. Die meisten Gesetze werden vom Regierungsapparat ausgearbeitet. Parlamentsdebatten schleppen sich müde dahin, Beiträge werden meist abgelesen. Feurige Debatten um die Zukunft des Landes, mit Rede und origineller Widerrede? Keine Spur. Vielleicht liegt das vor allem daran, dass sich Mittelmaß ausbreitet, dass es im Landtag immer weniger unbequeme kluge Köpfe gibt, dafür um so mehr Fußvolk, Mitläufer, graue Mäuse? Schon vor einem Jahr hat Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) versucht, die müde Truppe aufzurütteln – mit mäßigem Erfolg. So fällt die Diagnose ernüchternd aus: Brandenburgs Erste Gewalt ist weiter auf dem Weg zu einem Parlament der Hinterbänkler.

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