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Brandenburg: Von Trauer überwältigt

Zum 60. Jahrestag der Befreiung kamen Überlebende nach Sachsenhausen und Ravensbrück

Fürstenberg/Oranienburg - „Station Z“ bedeutete das Ende. Den Hinrichtungsplatz Tausender von Häftlingen hatten die Nazis im KZ Sachsenhausen mit dem letzten Buchstaben des Alphabets bezeichnet. Hier waren der Erschießungsgraben, eine besondere Anlage zum Töten durch Genickschuss, die Gaskammer und das Krematorium. An den Resten der Station, die Anfang der fünfziger Jahre gesprengt worden war, gedachten gestern rund 400 Überlebende aus Europa und Übersee sowie 1600 Gäste der Toten. Von 200 000 Häftlingen, die zwischen 1936 und 1945 am Rande Oranienburgs inhaftiert waren, kam die Hälfte ums Leben. Für diese erfolgte die Befreiung des KZ vor 60 Jahren durch russische und polnische Soldaten zu spät.

Neben dem Gedenken gab es viele Gespräche zwischen ehemaligen Häftlingen und Jugendlichen. Dicht umringt war Professor Thomas Buergenthal, Richter am UN-Gerichtshof. Er hatte als Kind Auschwitz und Sachsenhausen überlebt. „Nach dem Vorbild des Holocaust-Museums in Washington sollten überall auf der Welt ähnliche Museen eröffnet werden“, schlug er vor. „Sie könnten Forschungszentrum und Bildungseinrichtung über den Völkermord sein.“ Das Versprechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht zuzulassen, genüge nicht.

Bundesaußenminister Joschka Fischer betonte die Verantwortung, die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis lebendig zu halten.Er verneige sich vor den Opfern. Schon deshalb bleibe das Existenzrecht Israels ein Grundpfeiler deutscher Außenpolitik.

In Ravensbrück gibt es noch weniger originale Bauten als in Sachsenhausen. „Sogar für mich ist die Orientierung schwierig“, sagte Annette Chalut, Präsidentin des Internatonalen Ravensbrück-Komitees, bei der Gedenkfeier am Vormittag mit 350 Überlebenden. „Die Nutzung des Geländes durch die Truppen der russischen Befreier bis 1993 verwandelte diesen Ort. Nur das Krematorium, die Betonwalze für Strafaktionen und der Todesgang haben die Jahre überstanden.“ Zwischen 1939 und 1945 waren in Ravensbrück 132 000 Frauen und Kinder, 20 000 Männer und 1000 weibliche Jugendliche registriert worden. Zehntausende starben.

Während der Rundgänge der Überlebenden stockte den Frauen immer wieder der Atem. Nur ganz bedächtig näherten sie sich dem erst seit kurzer Zeit wieder zugänglichem Ort des „Zeltes“. Es wurde im September 1944 aufgestellt, weil die Lagerbaracken völlig überfüllt waren. In dem 50 Meter langen und 15 Meter breiten Zelt drängelten sich über 3000 hungernde Frauen und Kinder, bis die SS über ihr weiteres Schicksal entschied. Bis zu 40 Frauen starben pro Tag an Hunger, Kälte und Erschöpfung. Ein Gedenkstein erinnert seit gestern an sie.

Bundesfamilienministerin Renate Schmidt bezeichnete Ravensbrück als Ort, „der uns erschauern lässt“ – vor den Möglichkeiten der Menschen, das Undenkbare zu tun, wie Schmidt aus einem Text von Siegfried Lenz zitierte. In Ravensbrück seien Frauen nicht nur Opfer, sondern im Dienst der SS auch Täterinnen gewesen.

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