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Brandenburg: Vor dem Absturz

Neue Details erschüttern das Vertrauen von Investoren und Politikern in die Chipfabrik

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Potsdam / Frankfurt (Oder). Der Bau der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) wird immer unwahrscheinlicher. In Koalitionskreisen wird nach neuen Enthüllungen im „Spiegel“ die Forderung laut, „die Notbremse zu ziehen, um weiteren Schaden vom Land abzuwenden“. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Heiko Müller, warnte am Sonnabend nachdrücklich vor einem weiteren finanziellen Engagement Brandenburgs. Das Land habe sich „offenbar über den Tisch ziehen lassen“, die Hintergründe und Verantwortlichkeiten müssten jetzt offen gelegt werden. „Es gibt Klärungsbedarf“, sagte Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU).

Der „Spiegel“ erhebt in seiner neuen Ausgabe unter Bezugnahme auf die mit den Investoren „Intel“ und Dubai sowie dem staatlichen Institut für Halbleiterphysik IHP geschlossenen und bislang geheimen Verträge den Vorwurf, „dass das Parlament und die Bevölkerung permanent getäuscht wurden“. Einiges deute sogar darauf hin, „dass öffentliche Gelder veruntreut wurden“. So erhalte der US-Konzern die Technologie des landeseigenen Halbleiter-Instituts „quasi umsonst“, da er seine 40-Millionen-Dollar Einlage am Projekt über Lizenzgebühren von der Bau-und Betreiberfirma Communicant erstattet bekomme. Die ersten beiden Jahresraten von zusammen 16 Millionen Dollar seien bereits fällig, obwohl von der Chipfabrik bislang nur die Bodenplatte stehe. Bis zur Produktionsaufnahme 2005 würde Intel somit seine komplette Einlage zurückerhalten.

Nach Tagesspiegel-Recherchen wäre der Konzern aber trotzdem mit 28 Prozent an dem 1,3 Milliarden-Projekt beteiligt. Der Intel-Geschäftsführer Deutschland, Günter Jünger, sprach von einem „fairen Deal“ für alle Seiten. Es sei „bedauerlich, dass ein gutes Projekt jetzt politisch zerredet“ werde. Den Vorwurf, Intel sauge das IHP aus, könne er nicht nachvollziehen. Denn das Frankfurter Forschungsinstitut habe im Gegenzug als weltweit erstes Unternehmen die Kerntechnologie von Intel erhalten. Diese ist nach Angaben von Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß 350 Millionen Euro wert.

Der frühere Justizminister Kurt Schelter (CDU) sagte dem Tagesspiegel, dass er im Kabinett vor möglichen „strafrechtlichen Konsequenzen“ im Zusammenhang mit der Chipfabrik gewarnt habe. Seine Bedenken hätten sich vor allem gegen „Interessenkollisionen“ des bisherigen IHP-Chefs Abbas Ourmazd gerichtet, der zugleich Aufsichtsratschef von Communicant war und weitere Funktionen in diversen Unternehmen innehatte. Seit September ist er Vorstandschef der Communicant. Ourmazd versicherte, dass seine Beteiligungen und Aktivitäten von den zuständigen Aufsichts-Gremien geprüft und genehmigt wurden. Zugleich wies er Vorwürfe zurück, dass das gemeinnützige IHP Rechnungen von Communicant beglichen und unbezahlt Vorleistungen für die Chipfabrik erbracht habe. Ourmazd reagierte beunruhigt auf die neuen Turbulenzen. Er warnte vor negativen Auswirkungen auf das Projekt, das sich in einer „kritischen Phase“ befinde, da noch immer Fremdkapital in Höhe 650 Millionen Euro fehlt.

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