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Eisbrecher

© dpa

Wasserstand: Eisbarrieren lassen die Oder steigen

Auf dem Fluss hat sich eine Decke aus aneinandergefrorenen Schollen gebildet. Setzt Tauwetter ein, sollen Schiffe ein Hochwasser verhindern.

Die Oder steht derzeit angesichts einer fast geschlossenen Eisdecke unter besonderer Beobachtung von Fachleuten des Landesumweltamtes sowie des Wasser- und Schifffahrtsamtes. Es gibt bereits eine erste Hochwasserwarnmeldung. Zwar führt der Grenzfluss derzeit nur halb so viel Wasser wie bei der Flutkatastrophe im Sommer 1997, aber die in den vergangenen Tagen gebildeten Eisschollen können sich vor Brücken und an Biegungen zu hohen und starken Barrieren zusammenschieben. Der unterhalb des Eises fließende Strom würde gestaut und die Schollen nach oben drücken. Steigende Pegel wären die Folge, wodurch im schlimmsten Fall die Deiche zerstört oder gar überflutet werden könnten.

„Bis jetzt besteht aber noch keine Gefahr“, heißt es im Brandenburger Landesumweltamt. „Das von Süden nach Norden fließende Treibeis ist im Dammschen See (Jezioro Dabie) zum Stehen gekommen und zu einer Decke zusammengefroren.“ Der Dammsche See ist ein rund 15 Kilometer langes und von der Oder durchflossenes Gewässer am Ostrand von Stettin. Flussabwärts folgt das Stettiner Haff mit der Mündung in die Ostsee. Vom Dammschen See aus hat sich die sogenannte Eisstandsgrenze, wo die treibenden Eisschollen an der geschlossenen Decke anstoßen, auf inzwischen 130 Kilometer Länge bis nach Frankfurt vorgeschoben. In Stützkow stieg der Pegel dadurch um 69 Zentimeter, in Hohensaaten um 25 Zentimeter. Bis zur Ausrufung der ersten Warnstufe fehlen aber entlang der Oder noch zwischen 30 und 50 Zentimeter.

Richtig gefährlich können die zusammengefrorenen Schollen erst werden, wenn Tauwetter einsetzt und die Oder deutlich mehr Wasser zu führen beginnt. Dann schlägt die Stunde für die deutsch- polnische Eisbrecherflotte. Am Wochenende wurden bereits drei deutsche Schiffe nach Stettin beordert, um gegebenenfalls von dort aus die Oder flussaufwärts vom Eis zu befreien.

Vorerst aber bietet die Oder für Ausflügler einen spektakulären Anblick. Anders als in anderen Flüssen Deutschlands bildet sich hier das Eis nicht auf der Wasseroberfläche, sondern auf dem Grund. Die schnelle Strömung verhindert das Zufrieren der Wasseroberfläche – aber auch an der Flusssohle herrschen Minustemperaturen. Dort bilden sich Eiskristalle, die sich mit Schwebstoffen und Teilen aus der Sedimentschicht zu Eisklumpen und -schollen verbinden, sich schließlich ablösen und auftreiben. Sie drehen sich in der Strömung, schieben sich aufeinander und frieren aneinander fest – in einer bizarren Decke mit Verwerfungen, Aufwölbungen und Kratern.

„Schlittschuhlaufen ist auf der Oder nie möglich“, erzählt eine Anwohnerin. „Aber zu Fuß sind wir schon oft auf die andere Seite gelaufen.“

Mitarbeiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes warnen allerdings dringend vor dem Betreten des Flusses: Es herrsche absolute Lebensgefahr. Denn dort, wo die Strömung stärker ist, friert der Fluss nicht zu. Auch den Bruchstellen zwischen den Eisschollen gibt es immer wieder offene Wasserflächen. Das Odereis ist unberechenbar. „Wer hier einbricht, wird von der starken Strömung sofort unter die Eisdecke gezogen. Es gibt kaum eine Hoffnung auf Rettung“, sagt Jürgen Wölm vom Schifffahrtsamt. (mit ddp)

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