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Brandenburg: Weltkulturerbe: Der Verfall des Kaiserbahnhofs schreitet voran

Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen kam zu spät. Als er kürzlich den in Samtrot und Gold schwelgenden Theatersaal im Neuen Palais betrat, hatten die Jubiläums-Feierlichkeiten anlässlich der Aufnahme der Potsdamer Schlösser und Gärten in die Welterbeliste der Unesco in Potsdam bereits begonnen.

Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen kam zu spät. Als er kürzlich den in Samtrot und Gold schwelgenden Theatersaal im Neuen Palais betrat, hatten die Jubiläums-Feierlichkeiten anlässlich der Aufnahme der Potsdamer Schlösser und Gärten in die Welterbeliste der Unesco in Potsdam bereits begonnen. Königliche Hoheit waren im Stau stecken geblieben.

Der Weg zwischen den beiden alten Residenzstädten ist zwar seit zehn Jahren wieder so kurz wie zu Kaisers Zeiten, doch im Zuge des wachsenden Verkehrsaufkommens inzwischen ungleich beschwerlicher. Kaiser Wilhelm II. wäre vor 90 Jahren in Berlin einfach in den Sonderzug gestiegen und ungehindert über die erste preußische Eisenbahnlinie nach Potsdam zum Kaiserbahnhof kurz vor den Toren von Sanssouci gefahren. Von der fürstlichen Bahnstation war es nur noch ein kurzer Ritt bis zum Neuen Palais. 1952 aber wurde dieser Bahnhof von der Reichsbahn aufs tote Gleis geschoben. 1977 musste die gleichzeitig unter Denkmalschutz gestellte Anlage baupolizeilich gesperrt werden. Doch der Verfall ging weiter, auch nach der Wende.

Grabesstille und seit einigen Wochen auch ein Kokon aus Plastikbahnen liegen über der sich allmählich bis auf das Stahlgerüst skelettierenden neunzig Meter langen Bahnhofshalle. Denkmalschützer und der Freundeskreis Kaiserbahnhof haben die Deutsche Bahn AG gedrängt, das Bauwerk vor weiterer Zerstörung zu schützen. Die kaiserliche Ruine ist Wermutstropfen im Meer der Freude darüber, wieviel bereits im letzten Jahrzehnt in der Potsdamer Kulturlandschaft Verfall und Vergessen entrissen wurde. Immerhin zählt der Kaiserbahnhof, Schnittpunkt zwischen Monarchie und Moderne, zum Kulturerbe der Welt. Die Unesco, die Kulturorganisation der Vereinten Nationen, hatte ihn 1999 mit dem Kreml, dem Westminster Palace und der Chinesischen Mauer und - um im Land zu bleiben - mit dem Kölner Dom auf eine Stufe gestellt. Mit der jüngsten "Einhausung" haben sich die Mahner für eine zügige Sanierung des Bahnhofs scheinbar selber den Wind aus den Segeln genommen. Im Kulturministerium zeigt man sich für die nächsten Jahre mit dieser Schutzmaßnahme zufrieden.

Doch immer dann, wenn ein neuer Mann die Leitung der Deutschen Bahn übernähme, würde er einen Brief des Ministerpräsidenten Manfred Stolpe erhalten, in dem es nicht in erster Linie um den öffentlichen Nahverkehr, sondern um den Kaiserbahnhof gehe, illustriert Hartmut Dorgerloh, Referatsleiter für Denkmalschutz, das weitere Engagement des Landes. Man wäre außerdem bereit, mit dem höchstmöglichen Fördersatz den zukünftigen Investor zu unterstützen. Zunächst aber sei die Bahn am Zuge. "Schön und gut", verkündet die Unternehmenssprecherin Ariane Alzer, "aber es gibt weit und breit keinen Investor. Wir haben sogar schon vergeblich versucht, den Bahnhof zu verschenken." Möglicherweise ein Danaergeschenk angesichts eines 20 Millionen umfassenden Investitionsbedarfes. Von 6000 Bahnhöfen stehen 400 unter Denkmalschutz. Das sei Belastung aber auch Stolz des Unternehmens, heißt es.

Doch nicht erst das jüngste Ansinnen der Bahn, die Spritzhalle, eines der letzten erhaltenen Denkmale des alten Reichsbahnausbesserungswerkes auf dem Gelände des heutigen Potsdam Centers zu beseitigen, lassen den Potsdamer Denkmalpfleger Andreas Kalesse am Kulturverständnis der Bahn zweifeln. Auch der Präsident des Internationalen Rates für Kulturdenkmäler, Michael Petzet, hatte in seiner Zeit als Landeskonservator in Bayern Ärger mit der Deutschen Bahn und fordert: "Statt sich exterritorial zu fühlen, sollte sich auch die Bahn an die Denkmalgesetze der Länder halten."

Der Unesco war das leidige Problem mit dem Kaiserbahnhof bis dato unbekannt. "Es wäre sicher gut bis zum zyklischen Monitoring der Unesco im Jahr 2004, wenn Europa rechenschaftspflichtig wird, das Problem zu beheben", sagt Hans Caspary, langjähriger deutscher Delegierter beim Welterbekommitee. Andernfalls könnte sich die Frage stellen, ob nicht die Eigentumsverhältnisse geändert werden sollten. "Ich könnte mir vorstellen, dass das Land oder die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Hausherr wären" sagt Caspary.

Das kommt weder für Kultusministerin die Johanna Wanka noch für den Chef der Stiftung, Hans-Joachim Giersberg, in Frage. Zwar bedauert Giersberg den "schrecklichen Zustand" des Kaiserbahnhofes, doch habe die Stiftung genug mit den eigenen Dingen zu tun. "Wenn die Deutsche Bahn als Eigentümer versagt," so Giersberg, "ist die Politik gefragt. Sie muss handeln, ehe es zu spät ist. Wo sonst gibt es ein Weltkulturerbe mit eigenem Bahnhof? Was könnte man daraus machen!" Doch auch Giersberg weiß im Moment keine Lösung. Nur sollte der Bahnhof unbedingt als solcher wieder eine Funktion bekommen. Dann könnte auch Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen ungehindert zu den Schlössern seiner Vorfahren nach Potsdam reisen. Doch auch so kam er noch rechtzeitig zur Festrede Manfred Stolpes, die mit den Worten begann: "Bewahrung der Denkmäler ist Pflicht ersten Ranges."

Hanne Bahra

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