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Panorama: 177 Tage Angst – und kein Ende?

Vor einem Jahr begann das Geiseldrama in der Sahara – die Islamisten könnten erneut zur Bedrohung für Touristen werden

Ein Jahr nach Beginn des spektakulären Geiseldramas in der südalgerischen Sahara, das erst sechs Monate später endete, scheint die Terrorgefahr in und aus der Wüste noch nicht gebannt zu sein. Gerade hat die Reisesaison durch das Sahara-Niemandsland wieder begonnen – und prompt schaute jüngst erneut eine deutsche Urlaubergruppe in die Gewehrläufe der islamistischen Extremisten-Gruppe GSPC. Die sieben Touristen, die mit einer deutschen Reiseagentur im Norden Malis unterwegs waren, wurden Mitte Januar für einen Tag gekidnappt und dann mit einer Terrorbotschaft für den Westen freigelassen.

„Sie wollten kein Geld von uns“, berichtete einer der Urlauber im Magazin „Focus“, „sondern nahmen uns ein Versprechen ab.“ Das Versprechen, die Terrordrohung zu transportieren: Die arabische GSPC sei bereit, in Deutschland, Frankreich und den USA Anschläge zu verüben. Auch Wüstenreisegruppen seien ein potenzielles Ziel, ließ man die zitternden Abenteurer wissen.

Lockruf der Sahara

Die Botschaft hinterließ offenbar keinen nachhaltigen Eindruck. Immer noch werden Touren durch die Sahara Südalgeriens und Nordmalis angeboten. Diplomaten nehmen die Drohung hingegen ernst: „Es gibt aktuelle Hinweise, dass erneut Entführungen von Bürgern westlicher Staaten geplant sein könnten.“ Die „Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf“ (GSPC), eine gut ausgerüstete Islamistenarmee algerischen Ursprungs, wird auch für die Entführung jener 32 Urlauber verantwortlich gemacht, die Ende Februar 2003 in Südalgerien verschwanden: 16 Deutsche, 10 Österreicher, vier Schweizer, ein Niederländer und ein Schwede. 17 Geiseln kamen nach einer mysteriösen Befreiungsaktion durch Algeriens Militär am 13. Mai frei. 14 weitere erst am 18. August im Norden Malis, nach langen Geheimverhandlungen und angeblich gegen ein Lösegeld unbekannter Herkunft in Höhe von 4,5 Millionen Euro. Eine deutsche Urlauberin war während der Entführung an einem Hitzschlag gestorben.

Zum neuen Überfall in der Wüste im Januar kam noch eine Terrordrohung der GSPC gegen die berühmte Rallye von Paris nach Dakar. Der französische Geheimdienst hatte Mitte Januar Informationen aufgefangen, wonach mehrere Rallye-Fahrer bei der Durchquerung Nordmalis als Geiseln genommen werden sollten. Die Terrorhinweise waren immerhin so ernst, dass zwei Rallye-Etappen durch Malis Wüste abgesagt wurden.

Im Zusammenhang mit dem Geiseldrama sowie den neuen Drohungen taucht auch immer wieder der Name des algerischen Terrorchefs „Al Para“ auf, jenem Mann, der von Interpol weltweit gejagt wird – und der in der Wüste wie ein Spuk auftaucht und wieder verschwindet.

Algeriens Militär verkündete zwar Anfang Februar, einen Teil der GSPC-Entführertruppe von „Al Para“ getötet zu haben. Bis heute ist aber nicht bekannt, ob diese Mitteilung Propaganda vor dem Hintergrund der kommenden Präsidentschaftswahl am 8. April war oder wirklich den Tatsachen entspricht.

Algeriens Generälen und Geheimdiensten wurde in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen, den Terrorismus auch zur Erhaltung ihrer Macht im Land instrumentalisiert zu haben. In Paris ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen der Entführung und Ermordung von sieben französischen Mönchen im Jahr 1996. Für die Tat sollen angeblich algerische Sicherheitskräfte verantwortlich sein.

Der Film zur Entführung

Derweil arbeitet der österreichische Regisseur Wolfgang Glück an einem Kinofilm über das Geiseldrama, das im vergangenen August endete. Das Drehbuch sei fast fertig, im Herbst soll die erste Klappe in der Sahara fallen. Eine dokumentarische Darstellung der Entführung solle der Film werden, aber auch eine Auseinandersetzung „mit dem Islam“ und dem „größten bedrohlichen Konflikt dieser Zeit: zwischen den Moslems und der westlichen Welt.“ Die deutsche Ex-Geisel Rainer Bracht veröffentlichte derweil in Buchform sein „Tagebuch einer Entführung – 177 Tage Angst“.

Ralph Schulze[Madrid]

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