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Doppelbesteuerung? Blaulichteinsatz im Rotlichtmilieu, das kann teuer werden. Städte und Gemeinden entwickeln neue Gebühren und Abgaben vor allem im Gastronomie-, Hotel- und Vergnügungsgewerbe, für Verkehrsteilnehmer und Touristen. 

© Jochen Lübke, dpa

Abgaben: Geldeintreiben im Steuerparadies

Passantenbefragungsgebühr für Interviewer, Abgabe für künstliche Bräune und käuflichen Sex: Wie einfallsreich Städte und Gemeinden Abgaben und Gebühren eintreiben und so ihre Einnahmen verbessern wollen.

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Die deutsche Wirtschaft erholt sich wieder. Den Kommunen aber fehlt das Geld immer dringender. 86 Prozent der deutschen Städte und Gemeinden wollen deshalb in diesem Jahr Gebühren und Steuern erhöhen, um ihre klammen Kassen zu füllen. Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young wollen vor allem Großstädte ihre Einnahmen in Bereichen verbessern, über die sie auf kommunaler Ebene selbst entscheiden und verfügen können. Zu der so etablierten wie umstrittenen Gewerbesteuer, der Grund- und der Grunderwerbssteuer und der je nach Gemeinde zwischen null und mehreren hundert Euro variierenden Hundesteuer kommen immer mehr neue Ideen. In vielen Orten schießen etwa die Bußgelder für nicht entfernten Hundekot, für unerlaubtes Grillen, Grünanlagenverschmutzungen, Graffiti-Sprayen oder auch die Vergnügungssteuer auf Automatenspiele in die Höhe.

Essen gilt dabei vielen Kämmerern als Vorbild. Die 576 000-Einwohner-Stadt im Ruhrgebiet plant die Einführung einer „Bräunungssteuer“ – ihre 80 Solarienbetreiber sollen künftig 20 Euro pro Sonnenbank im Monat an die Stadt abführen. Begründung: Die Geräte könnten Hautkrebs verursachen, die Abgabe solle auf das Gesundheitsrisiko hinweisen. „Natürlich wollen wir damit auch die Anzahl der Solarien im Stadtgebiet eindämmen“, sagt Essens Pressesprecher Detlef Feige. Aber 150 000 Euro soll die neue Steuer auch in die Stadtkasse spülen. In den USA gibt es diese Steuer seit 2010. Da die Abgabe in Deutschland neu ist, muss der Einführung noch die Regierung Nordrhein-Westfalens zustimmen. Sollte der Plan durchkommen, werden andere Städte der Idee sicher folgen.

Und Essen hat noch mehr zu bieten: Wer dort eine Umfrage auf der Straße machen möchte, muss ebenfalls zahlen – keine Steuer, aber von Organisationen mit einem aufgebauten Stand erhebt die Stadt eine „Passantenbefragungsgebühr“; pro Interviewer und Tag 34 Euro als sogenannte Sondernutzungsgebühr, weil der öffentliche Raum genutzt wird. Den nutzen auch Imbissbuden, wenn sie kleine Stehtische für ihre Gäste aufstellen – für 20 Euro pro Tisch im Monat. Auch an der Werbung auf Baugerüsten verdient die Stadt seit Anfang des Jahres mit: Stellt ein Bauunternehmer ein Gerüst auf und hängt daran ein Werbeplakat, muss er pro Quadratmeter mindestens 4,40 Euro pro Monat löhnen. Ausnahmsweise kostenfrei bleibt nur Eigenreklame der Bauunternehmen. „Einige Maler oder Handwerker sind so schlau – die lassen die Gerüste einfach zwei Monate länger stehen und kassieren die Werbeeinnahmen“, sagt Feige. Dabei würden Fußgänger auf dem Gehweg behindert.

In Köln gibt es seit vergangenem Jahr eine „Kulturförderabgabe“ genannte Bettensteuer. Fünf Prozent der Übernachtungskosten (ohne Frühstück) gehen für jeden Besucher, der in einem Hotel oder einer Pension übernachtet, an die Stadt. Begründet wird die Abgabe mit den vielen kulturellen Höhepunkten, die Köln zu bieten hat. Als Wirtschaftsdezernent und Stadtkämmerer Kölns plante der SPD-Politiker Norbert Walter-Borjans die Bettensteuer – und ein Jahr später genehmigte er der Stadt ihren Plan als neuer Finanzminister von Nordrhein-Westfalen. Seine Idee wollen viele Städte nun kopieren, voran die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen. Der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) hält es für vertretbar, einen oder 1 Euro 50 pro Übernachtung an die Stadt abgeben zu lassen. Bei 20 Millionen Übernachtungen pro Jahr würden zwischen 20 und 30 Millionen Euro für die Hauptstadt herausspringen. Finanzsenator Nussbaum (parteilos) erwog sogar eine Abgabe für Tagestouristen.

Dafür könnte Berlin von dem kleinen Ort Otterndorf in Niedersachsen lernen: Da sollen Kneipenwirte und Café-Besitzer eine als „Stuhlsteuer“ verfluchte Fremdenverkehrsabgabe an die Stadt zahlen, die sie durchaus ein bis zwei Monatslöhne im Jahr kosten kann. Unklar ist, wie Stehimbisse behandelt werden.

Ihren Ursprung hat die Bettensteuer in Weimar – dort gibt es die Abgabe schon seit 2005. Vielen Kommunen gilt sie jetzt als Kompensation für Einnahmenausfälle wegen der 2010 von der schwarz-gelben Bundesregierung reduzierten Mehrwertsteuer für Hotels. In einigen Orten sollen die Einnahmen direkt der Kultur zugute kommen. Vorbild ist letztendlich die Kurtaxe, die an Nord- und Ostsee und in vielen weiteren Kurorten für besondere Kur- und Freizeitangebote, aber auch für den Zugang zum Meer oder für gute Luft erhoben wird.

Schon seit 2004 verdient die Stadt Köln an Sex außerhalb der Betten mit und erhebt – auch auf Initiative von Walter-Borjans – eine vom Volksmund sogenannte „Sexsteuer“ für die „gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen in Bars, Sauna-, FKK- und Swingerclubs oder Kraftfahrzeugen“. Jede Prostituierte muss demnach sechs Euro pro Arbeitstag für ihre „Veranstaltungen“ an die Verwaltung abführen. Das bringt jährlich 750 000 Euro. Andere Städte haben schon nachgezogen. In Dortmund besucht ein Steuereintreiber jeden Morgen die Bordelle – und kassiert ab.

In Hamburg gibt es keine Steuer im legendären Rotlichtmilieu der Hansestadt – dafür aber, nach österreichischem Vorbild, aufs Blaulicht: Wer dort einen Unfall verursacht und die Polizei ruft, muss für den Einsatz der Beamten pauschal 40 Euro bezahlen. Nur bei Unfällen mit Verletzten oder bei Fahrerflucht kommt die Staatsgewalt noch kostenlos. 2,5 Millionen Euro soll die neue Steuer der Hansestadt einbringen. Die neue Alleinregierung der SPD unter dem künftigen Bürgermeister Olaf Scholz hatte den Plan der damaligen schwarz-grünen Koalition 2010 allerdings noch aufs Heftigste kritisiert.

Nach dem Gebot der Steuergerechtigkeit wird die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet. Wer sich also einen Hund leisten kann oder eine Zweitwohnung – der soll mehr an den Staat zahlen als jemand, dem das nicht möglich ist. Dafür gibt es auch keine Ansprüche auf konkrete, einforderbare Gegenleistungen. Auch regulierend sollen Steuern wirken: Nicht zu viele Hunde, möglichst wenig Sonnenstudios und Tabakkonsum gelten als amtliches Ziel. Soweit die Theorie.

Es setzen sich aber auch nicht alle kreativen Ideen der Stadtkämmerer durch. So sind Stuttgarter Pläne für eine Waffensteuer von 100 Euro für den Besitz jedes Gewehrs und jeder Pistole ebenso aufgegeben worden wie eine in Ellwangen geplante Pferdesteuer oder die im brandenburgischen Luckau erwogene Windradsteuer – da wollte die Landesregierung nicht mitmachen.

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