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Abtreibung

© dpa

Abtreibung: Arzt: "Ich will Frauen in jeder Situation helfen"

Für die einen ist es Mord, für die anderen das gute Recht einer Frau: Abtreibung. In Deutschland ist sie zwar nicht erlaubt, bleibt aber unter bestimmten Voraussetzungen straffrei - nach wie vor ist es ein extrem umstrittenes Thema. Wir haben den Gynäkologen Dr. Janning Wagner aus Lüneburg gefragt, warum er Abtreibungen durchführt.

Aus welchem Grund entscheiden sich Ihre Patientinnen für einen Schwangerschaftsabbruch?

Viele Frauen kommen, weil die Verhütungsmethode versagt hat oder weil sie einfach nicht verhütet haben. Die Entscheidung für den Abbruch entsteht aus sozialen Nöten, denn sie finden es schwierig, ein Kind zu finanzieren.

Wie ist der Weg zu einer Abtreibung?

Die Schwangerschaft muss erst einmal durch einen Frauenarzt festgestellt werden. Dann muss die Frau sich im Klaren darüber sein, ob sie die Schwangerschaft will. Wenn sie es nicht will, muss sie mit ihrem Frauenarzt sprechen, der sie dann zu einer Beratungsstelle schickt. Wenn sie die Beratung gemacht hat und sie dann sicher ist, dass sie abtreiben will, kann sie ins Krankenhaus oder eine gynäkologische Praxis gehen und den Eingriff dort vornehmen lassen. Wichtig ist: Der Arzt, der die Schwangerschaft festgestellt hat und in der Konfliktsituatuion berät, darf nicht den Abbruch durchführen.

Warum nicht?

Das hat der Gesetzgeber so festgelegt, damit der Frauenarzt, der die Schwangerschaft feststellt und berät, mit der Abtreibung nicht in einen Gewissenskonflikt gerät.

In welcher psychischen Verfassung sind die Frauen, die zu Ihnen kommen?

Alles mögliche. Von sehr nervös bis todtraurig. Denn es gibt ja unterschiedliche Gründe, warum die Frauen einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen.

Können Sie als Arzt Ihre Patientin denn beruhigen?

Das ist schwierig. Letztendlich obliegt es ja nicht mir allein, zu beraten. Ich kann auch einer Frau niemals diese schwierige Entscheidung abnehmen. Ich muss aber herauszufinden, ob die Patientin den Eingriff wirklich will. Wenn ich merke, das ist nicht der Fall, dann gebe ich ihr noch mal die Gelegenheit, ihre Meinung zu überprüfen.

Das heißt, es gibt auch Frauen, bei denen Sie sagen: Nein, die schicke ich wieder nach Hause?

Ja, das kommt auch vor. Wenn die Frauen hierher kommen, dann klären wir noch mal in einem Gespräch über den Eingriff und seine Risiken auf. Und im Verlauf dieses Gesprächs wird auch noch mal geschaut, ob die Entscheidung gefestigt ist. Wenn ich dann die Vermutung habe, dass die Patientin noch unschlüssig ist, sage ich auch ganz deutlich, dass sie noch einmal ihre Entscheidung überprüfen und wieder nach Hause gehen soll.

Müssen Sie als Gynäkologe an einer städtischen Klinik denn Schwangerschaftsabbrüche durchführen?

Nein. Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland kein Zwang. Also weder kann die Frau dazu gezwungen werden, noch kann der Arzt dazu gezwungen werden, ihn durchzuführen. Auch der Chefarzt kann nicht bestimmen, wer die Operation durchführt oder nicht. Dafür gibt es auch keine vertragliche Verpflichtung. Es gibt Kollegen, die machen es nicht.

Ist das auch an anderen Krankenhäusern so?

An konfessionellen Kliniken werden generell keine Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Dahin kann eine Frau in diesem Fall also gar nicht gehen. An einigen privaten Kliniken wiederum kann es zur Einstellungsbedingung für Gynäkologen gemacht werden, dass sie auch Abtreibungen vornehmen.

Ein Arzt muss sich also, bevor er sich auf eine bestimmte Stelle bewirbt, darüber im Klaren sein, welche Einstellung er zur Abtreibung hat?

Grundsätzlich ja. Man darf seine Meinung aber auch ändern. Ich finde es allerdings schwierig, wenn man dazu keine grundsätzliche Meinung hat und dann nach dem Motto mal ja und mal nein agiert. Entweder ich bin grundsätzlich für die Abtreibung oder gegen die Abtreibung. Sonst kommt man auch der Patientin gegenüber in Erklärungsnöte. Ich persönlich denke bei jedem Fall darüber nach und überlege, ob das für die Patientin das Richtige ist und ob mein Gewissen da mitspielt. Und es gibt Fälle, da kann ich ganz offen sagen, da wird mir bei der Operation schlecht und ich mache sie trotzdem.

Trotzdem haben Sie sich ja entschieden, Abtreibungen durchzuführen. Aus welchem Grund?

Ich bin letztendlich Gynäkologe geworden, um Patientinnen zu helfen, in jeder Situation. Ich helfe Frauen bei Geburten oder auch Krebspatientinnen. Und für mich gehört Hilfe eben auch dazu, wenn eine Frau sagt, ich will mein Kind nicht austragen. Da nicht helfen zu wollen, fand ich für mich immer schwierig. Natürlich gibt es immer zwei Seiten. Auch das Kind hat ein Recht auf Leben. Aber ich habe mich eben entscheiden, welches Recht für mich mehr wiegt, und da habe ich für mich entschieden, das ist das Recht der Frau.

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