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Panorama: Älter als Dinosaurier: Der erste Zweibeiner war ein Thüringer

Kleinkinder erkunden ihre Umgebung krabbelnd. Im Alter von etwa einem Jahr richten sie sich auf und stiefeln fortan auf zwei Beinen durchs Leben.

Kleinkinder erkunden ihre Umgebung krabbelnd. Im Alter von etwa einem Jahr richten sie sich auf und stiefeln fortan auf zwei Beinen durchs Leben. Der aufrechte Gang hat mehrere Vorteile: Man kann weiter schauen, schneller rennen und die Hände sind frei für andere Aufgaben. Und weil die zweibeinige Fortbewegung so viele Vorteile hat, ist sie im Laufe der Evolution gleich mehrfach entstanden.

Ein internationales Forscherteam entdeckte in einem deutschen Steinbruch nun das erste, bisher unbekannte Wirbeltier, das aufrecht gehen konnte. Die Paläontologen fanden ein hervorragend erhaltenes Fossil der Spezies Eudibamus cursoris. Der "zweibeinige Renner", lebte vor etwa 290 Millionen Jahren auf der Erde, bereits 70 Millionen Jahre bevor die ersten Dinosaurier auf der Bildfläche erschienen. Das Thüringer Reptil maß von der Schwanzspitze bis zur Nase rund 26 Zentimeter. Auf sein Fossil stießen die Paläontologen auf dem Bromacker bei Tambach-Dietharz in Thürigen. "Die Fundstätte ist einer der bedeutendsten Ursaurierfundorte außerhalb der USA", sagt Thomas Martens. Er ist der Entdecker der Ausgrabungsstätte und arbeitet am Museum der Natur im nahegelegenen Gotha. Die Fundstelle nahe des Rennsteigs sei erst seit etwa 20 Jahren bekannt und gelte als eines der wenigen weltweiten "Fenster" in die frühe Vergangenheit, sagt Martens. Hier wurden bisher mehr als 30 Skelettee von sechs Ursauerier-Arten entdeckt, die vor etwa 290 bis 268 Millionen Jahren lebten. Sie haben große Ähnlichkeit mit Funden aus den Rocky Mountains. Das gilt als ein Beweis dafür, dass damals eine Landbrücke zwischen Europa und Amerika bestanden habe.

Zusammen mit seinen Kollegen aus den USA und Kanada fand Martens das versteinerte Skelett bereits 1993. Doch den Wissenschaftlern war nicht bewusst, was ihnen da in die Hände gelangt war. "Während der Präparation und Auswertung des Fundes erlebten wir dann eine große Überraschung", sagt Martens. Das Skelett des Fossils deutete darauf hin, dass das Reptil sich auf zwei Beinen fortbewegte. Die Körperhaltung war aufrecht und ähnelte der Haltung laufender Menschen. Damit scheint der "zweibeinige Renner" das erste vierfüßige Wirbeltier mit dieser Körperhaltung zu sein.

Die Wissenschaftler stützen ihre Vermutung auf eine Analyse der Körperproportionen des Ursauriers. Die oberen Gliedmaßen von Eudibamus sind im Vergleich zu seiner Gesamtgröße relativ kurz, während die Beine eher lang sind. Dies spricht für eine Fortbewegung auf zwei Füßen, da längere Beine die Gesamtschrittlänge des Tiers vergrößern und die Geschwindigkeit erhöhen. "Auffällig ist außerdem die extreme Schwanzlänge", erklärt Martens. Autoren des Wissenschaftsmagazins "Science" vermuten, dass der lange Schwanz als eine Art Ruder diente, mit dem das Tier die Schwerpunktverlagerung während der aufrechten, schnellen Fortbewegung ausglich.

Aber warum war Geschwindigkeit für diesen Ursaurier so wichtig? Die Zähne des kleinen Reptils deuten darauf hin, dass es sich vegetarisch ernährte; es musste also nicht jagen. Die Paläontolgen vermuten daher, dass Eudibamus seine Sprinterqualitäten zur Flucht vor Raubtieren einsetzte und ihnen auf zwei Beinen davoneilte.

Zwingen die neuen Erkenntnisse nun zu einer Neuschreibung der Evolutionsgeschichte? "Nein, der Fund ist eher ein Puzzlestein, der unser Wissen über die Evolution ergänzt", beurteilt Thomas Martens die Entdeckung. Robert Reisz, Paläontolge an der University of Toronto, ergänzt: "Dieser Fund ist faszinierend, weil er bestätigt, dass die zweifüßige Fortbewegung als innovative Weiterentwicklung mehrmals stattgefunden hat. Unter evolutionären Gesichtspunkten muss es sich bei der zweifüßigen Fortbewegung um eine gute Idee handeln."

Manuela Röver

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