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„Khunzir“ heißt das Hausschwein in Kabul.

© Reuters

Afghanistan: Das Schwein von Kabul

Afghanistans Hauptstadt Kabul hat einen Zoo. Deren größte Attraktion ist ein ganz gewöhnliches Hausschwein. Die Besucher sind von Eber "Khunzir" angeekelt, fasziniert und begeistert.

Die größte Attraktion des Zoos in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind nicht etwa die mandschurischen Braunbären, die Dromedare oder die Rhesusaffen. Es ist ein Schwein, ein gewöhnliches, rosafarbenes Hausschwein. Im vorrangig von Muslimen bewohnten Land sind Schweine verpönt, sie gelten als "haram" - verboten. Nirgends sonst im ganzen Land soll es ein weiteres Exemplar geben, der Eber „Khunzir“, ein Staatsgeschenk aus China, ist ein Unikat. Und ein Einsames noch dazu.

Die Besucher im Zoo von Kabul werden durch eine Mauer geschützt

Etwas abgelegen liegt sein Gehege, doch die Besucher finden es alle. Gerade schnüffelt „Khunzir“ vor seinem Verschlag auf dem Beton umher, seine Gäste kümmern ihn nicht. Wie alle Gehege ist dieses mit hohen Gittern und einer Mauer umgeben – um die Tiere vor den Menschen zu schützen. Früher wurden oft Essensreste, aber auch Müll oder Steine über die Zäune geworfen, doch das ist vorbei. Die Käfige sind sauber, was zum einen an den Zäunen, aber auch an den zahlreichen Schildern liegt: „Bitte hilf dem Zoo. Füttere keine Tiere“, steht dort auf Englisch sowie den Landessprachen Dari und Paschtu.

Ohnehin hat sich einiges verbessert im Kabuler Zoo, der im Bürgerkrieg und während des Taliban-Regimes stark gelitten hatte. Viele Zoogebäude wurden damals zerstört, nur einige Vögel, ein paar Affen und eine Handvoll andere Tiere überlebten zunächst.

Ein Mann warf eine Granate, um sich am Löwen Marjan zu rächen

Wie der einäugige Marjan. Die Legende des Löwen, einst ein Geschenk des Kölner Zoos, kennt in Kabul jedes Kind: In den 1990er Jahren stieg ein Mann als Mutprobe in das Gehege und wurde von der Raubkatze getötet. Der Bruder des Getöteten warf daraufhin eine Granate in das Gehege, um sich zu rächen. Marjan wurde schwer verletzt und verlor unter anderem ein Auge, doch er überlebte. 2002 starb er an Altersschwäche, heute erinnert eine Bronzeskulptur am Eingang des Zoos an ihn.

Auch heute gibt es wieder eine Löwin in dem Zoo, mit einem vergleichsweise großzügigen Gehege. Doch viele andere Tiere leiden unter Platzmangel und fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten – wie etwa die Wölfe, die rastlos in ihrem kleinen Käfig mitten auf dem Zoogelände umherlaufen. „Heutzutage achtet man eigentlich darauf, dass die Menschen nur von einer Seite an ein Gehege herankommen“, sagt Jon Coe, ein australischer Zooplaner, der sich lange mit dem Kabuler Zoo beschäftigt hat. Gegründet wurde dieser 1967 mit der Hilfe deutscher Zoologen – unter ihnen auch der spätere Kölner Zoodirektor Gunther Nogge. Damals habe der Tierpark dem neuesten Stand der Technik entsprochen, sagt Coe. Heute sei die Tierhaltung nicht mehr zeitgemäß. Wie zum Beispiel im Bärengehege, in dem die Tiere auf dem Beton lägen und sich langweilten.

Coe hatte dem Kabuler Bürgermeister vorgeschlagen, aus dem Zoo einen Park ausschließlich für einheimische Tiere wie Adler oder Schneeleoparden zu machen, doch dieser lehnte ab. Er hat Größeres mit dem Kabuler Zoo vor, will auch Exoten wie Elefanten oder Giraffen zeigen. Aus Sicht von Jon Coe keine gute Idee: Solche Tiere sind an die kalten Winter nicht gewöhnt und bräuchten daher geeignete Gebäude und besondere Pflege – Dinge, die teuer sind. Eber „Khunzir“ kommt mit dem Klima gut klar. Dieser Exot wird bestimmt bleiben, denn ihn will hier jeder Gast sehen. Die meisten Besucher betrachten ihn mit einer Mischung aus Ekel und Faszination. Jon Coe macht sich deshalb keine Sorgen: „Dem Schwein geht es gut.“

Katharina Wiechers

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