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Panorama: Aktienfieber: Schon zwei Prozent der Privat-Spekulanten in Selbsthilfegruppen

Mit Sorge beobachten Psychologen das anhaltende Aktienfieber in Deutschland. In der "Ärzte-Zeitung" warnten am Wochenende mehrere Experten vor allem die so genannten Feierabend-Börsianer davor, in die Suchtfalle zu tappen.

Mit Sorge beobachten Psychologen das anhaltende Aktienfieber in Deutschland. In der "Ärzte-Zeitung" warnten am Wochenende mehrere Experten vor allem die so genannten Feierabend-Börsianer davor, in die Suchtfalle zu tappen. "Viele mögen den prickelnden Reiz der Ungewissheit, unabhängig vom Ausgang der Spekulation, ähnlich Roulettespielern", sagte der Psychologe Gerhard Meyer von der Universität Bremen. Ein erfolgreiches Geschäft erzeuge Euphoriegefühle, Machtfantasien und die Hoffnung auf weitere Gewinne. Laufe der Markt jedoch gegen den Spekulanten, machten sich Angst und Verzweiflung breit.

Die enorme Belastung lasse sich nur durch neuerliche Abschlüsse ausblenden, und so müsse Geld für neue lustvolle Erwartungen her, denn irgendwann würden die Kurse ja schon wieder steigen, erklärte Meyer. Besonders gefährdet seien die so genannten Day-Trader, die auf hoch spekulative Termingeschäfte wie Optionsscheine und Futures setzten, die "eindeutigen Glücksspielcharakter" hätten. Die "abnorme Entwicklung an den Börsen" und der "magische Glauben an Aktien" hätten die Risiken für labile Aktienspekulanten noch gesteigert, sagte der Psychologe. Auch Ökonomen kritisierten die Irrationalität und gefährliche Magie der Märkte.

Wie viele Börsianer sich unter den 150 000 Spielsüchtigen in Deutschland befinden, ist laut "Ärzte-Zeitung" bislang kaum zu beziffern. Schätzungen zufolge suchten derzeit rund zwei Prozent der Spekulanten Selbsthilfegruppen und ambulante Einrichtungen auf. Der Leiter der Verhaltenstherapieambulanz der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf, Iver Hand, sagte, Anleger und Broker, die in "blindwütiges Handeln verfallen, gehören in ärztliche Behandlung". Selbst hoch intelligente Leute bekämen ihr Verhalten an der Börse nicht mehr in den Griff.

Hand berichtete von Gesprächen mit Börsianern, aus denen sich ganz klare Parallelen zur herkömmlichen Spielsucht ergäben - "wie am Roulettetisch und bei einarmigen Banditen". Die Spekulation könne sich zu einer gefährlichen Zwangskrankheit auswachsen. Sorge mache ihm vor allem der "Typus, der Verluste prinzipiell emotionalisiert verarbeitet". Im Endeffekt steigere er sich in eine magische Erwartungshaltung. Die Vorstellung, Verlierer zu bleiben, werde immer unerträglicher. Auch Menschen mit krankhaftem Ehrgeiz oder Machtstreben seien besonders gefährdet, in diese Suchtfalle zu tappen. Doch Börsianer können sich vor dieser Gefahr schützen. Besonnene Spekulanten "schneiden sich ab", sobald sie merkten, dass Geschäfte sie zu ruinieren drohten. "Sie werfen alle Aktien raus, bleiben 14 Tyage abstinent und fangen dann neu an", berichtete die "Ärzte-Zeitung". Zwar schütze dies nicht vor einer möglichen Pleite, doch die Auszeit beruhige zumindest einmal die ganze Situation.

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