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Klagt gegen den König. Die 45-jährige Künstlerin Delphine Boël. Foto: dpa

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Panorama: Albert II. dankt ab

Belgiens König stand schwer unter Druck – auch wegen einer Vaterschaftsklage.

Brüssel - In der Eckkneipe „La Cuve à Bière“ im Brüsseler Stadtteil Woluwé-St.Lambert verstummen am Mittwoch die Gespräche, als der König um Punkt 18 Uhr zur Nation spricht. Aus dem Fernseher dringen die Worte, die nach den Gerüchten am Nachmittag niemanden mehr unvorbereitet treffen. „Mein Alter und meine Gesundheit erlauben mir leider nicht mehr“, hebt der 79-jährige Albert II. an, „meine Funktion so auszuüben, wie ich das gerne möchte.“ Deshalb, so der König der rund zehn Millionen Belgier, sei es „Zeit, die Fackel an die nächste Generation weiterzureichen“.

Alberts Regentschaft endet, kurz bevor er sein zweites Jahrzehnt im höchsten Staatsamt vollenden kann. Er hatte es von seinem Bruder Baudouin übernommen, als der am 9. August 1993 starb. Nun tut es der herzkranke Albert II. der Niederländerin Beatrix gleich und tritt von sich aus ab. Er galt schon länger als angeschlagen und hatte sich zuletzt öffentlich mit einem Gehstock gezeigt. Spekulationen über eine Abdankung gab es bereits Ende 2011, als der König in einem persönlichen Kraftakt mit dazu beigetragen hatte, die eineinhalbjährige Regierungskrise des Landes zu überwinden. Der Thronwechsel in Den Haag befeuerte die Debatte erneut. Freiwillig hat ein belgischer Regent ohnehin noch nie abgedankt – Leopold III. wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Gehen gedrängt, da sein Verhalten während der deutschen Besatzungszeit hochumstritten war.

Die Reaktionen sind gespalten, als auf dem Bildschirm eine Menschentraube vor dem Brüsseler Königspalast zu sehen ist, die „Merci, Albert“ singt. Anne-Catherine André zum Beispiel billigt dem König ihres Landes nur „eine fiktive Rolle“ zu: „Und er kostet uns ganz schön viel.“ Ihre Freundin Sophie Michaux ist nicht so kritisch: „Ich bin keine Royalistin, aber Albert mag ich. Er wirkt so, als ob er die Sorgen und Nöte der einfachen Leute versteht.“ Sie hat wohl noch im Ohr, wie Albert II. gesagt hat, dass es ihm „eine Ehre“ war und „seine Mitbürger der einzige Souverän“ im Land seien.

Einig sind sich alle im Raum, dass es nicht nur Alberts Alter war, das ihn zum Rückzug bewog. Seit Wochen füllen Details einer Beziehung zu der Baronin Sybille de Selys Longchamps nicht nur die Klatschspalten belgischer Zeitungen. Die frühere Geliebte behauptet, dies 18 Jahre lang gewesen zu sein. Deren 45-jährige Tochter Delphine Boël hat sogar ein Gerichtsverfahren angestrengt, an dessen Ende feststehen soll, dass sie des Königs leibliche Tochter ist. Anfang September wollen die Richter urteilen, ob Albert II. tatsächlich den geforderten Vaterschaftstest machen muss. „Diese Sache hat sicher auch eine Rolle gespielt“, mutmaßt Patrick Vernieuwe, Jahrgang 1949 und seit seiner Zeit beim belgischen Militär in Deutschland ein leidenschaftlicher Royalist: „Wie alle anderen Menschen auch, ist er halt nicht perfekt.“

Am 21. Juli, dem belgischen Nationalfeiertag, dankt Albert II. ab. Er und seine Frau Paola wollen noch die Parade abnehmen, ehe ihr ältester Sohn Philippe das Zepter übernimmt beziehungsweise vor beiden zusammen tagenden Parlamentskammern vereidigt wird. Der 53-Jährige sei „ bestens vorbereitet“, sagen sowohl der Vater als auch Premier Elio di Rupo. Weniger freundliche Worte finden die Untertanen beim Bier über ihren künftigen König. Dem Herzog von Brabant, der 1999 die Logopädin Mathilde heiratete und mit ihr vier Kinder hat, „fehlt es an Spontanität“, lautet das Urteil von Sophie Michaux. Ihre Freundin Anne-Catherine spricht von der „Ausstrahlung einer Marionette“.

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