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Eine Frau in Kenia bereitet eine Wanne mit Bier zum Baden gegen Masern vor.

© dpa

Alkohol-Arzneien in Kenia: Bier gegen Masern

Traditionelle Medizin ist in vielen Teilen Afrikas verbreitet. In Kenia schwören Kranke auf alkoholische Getränke zur Behandlung. Warnungen der Ärzte schlagen sie in den Wind. Selbst Kinder bekommen Bier und Chang'aa-Schnaps.

Margaret Muchori ist eine erfahrene Krankenschwester. Seit zehn Jahren arbeitet sie im kenianischen Gesundheitssystem. Sie kennt die neuesten Medikamente und lässt bei ihrer Familie regelmäßig alle wichtigen Impfungen auffrischen. Aber als einer ihrer beiden kleinen Söhne kürzlich die Masern bekam, griff Muchori auf eine ganz andere Art der Behandlung zurück: Der Junge wurde in Bier gebadet.

„Das muss zwei Mal am Tag gemacht werden, morgens und abends“, sagt die 35-Jährige. „Die Haut trocknet dabei langsam aus. Meine Mutter hat mir beigebracht, dass der Ausschlag nach etwa fünf Tagen weg geht.“ Das alkoholische Gebräu, das Muchori benutzt, heißt in Kenia Muratina und wird von der Volksgruppe der Kikiyu aus lokalen Früchten hergestellt.

Aber Muratina ist nicht die einzige auf Alkohol basierende Behandlungsmethode in dem ostafrikanischen Land. Ärzte warnen schon lange, dass die hochprozentigen Arzneien schwerwiegende Folgen haben können. Aber davon wollen viele Kenianer - die nach wie vor auf traditionelle, bereits von vielen Generationen angewandte Heilmittel schwören - nichts wissen.

Chang'aa gilt als wirksame Medizin

Am beliebtesten ist ein Getränk mit dem Namen „Chang'aa“, ein hochprozentiger Schnaps, der aus Hirse und Mais gebrannt wird. Chang'aa gilt als wirksame Medizin für alle Arten von Leiden - angefangen bei Malaria über Grippe und Parasiten bis hin zu Typhus.

Wörtlich übersetzt bedeutet das suahelische Wort etwa soviel wie „töte mich schnell“. Und der Name ist Programm: Der Trunk enthält Methanol, das zu Blindheit oder beim Verzehr größerer Mengen sogar zum Tod führen kann.

Das hält Jane Odinga aus dem Armenviertel Kibera in der Hauptstadt Nairobi nicht davon ab, ihrer erst neun Monate alten Enkelin Chang'aa zu verabreichen - als Mittel gegen eine hartnäckige Erkältung.
„Früher gab es hier ja gar keine Krankenhäuser, also haben die Menschen schon immer Alkohol als Medizin benutzt“, sagt die alte Frau, die der Gruppe der Luo angehört. So trinken hochschwangere Frauen auch heute noch Bier, weil dadurch angeblich die Wehenschmerzen gelindert werden sollen.

Gläschen Rotwein oder ein Bier

Ein gemäßigter Alkoholkonsum, wie etwa ein Gläschen Rotwein oder ein Bier am Ende eines stressigen Tages, können der Gesundheit durchaus förderlich sein - das ist auch im Westen bekannt. Geringe Mengen Alkohol können etwa das Risiko von Herzerkrankungen oder eines Schlaganfalls vermindern, wie eine 2011 veröffentlichte Studie der Harvard Medical School und anderer Forschungsinstitute ergab. Größere Mengen tragen nach Meinung des US-Instituts gegen Alkohol-Missbrauch aber zu einer Schwächung des Immunsystems bei.

Statt Krankheiten zu heilen könne Alkohol wie Chang'aa generell lediglich die Symptome lindern, erklärt Harrison Kiambati, ein medizinischer Experte von Kenias Gesundheitsministerium. Der Patient spüre weniger akute Schmerzen und glaube deshalb, auf dem Weg der Besserung zu sein. Das sei aber sehr gefährlich, weil Kranke in dieser Zeit Komplikationen entwickeln könnten, die dann viel zu spät bemerkt würden. „Als Arzt würde ich nie etwas verschreiben, das nicht wissenschaftlich erfortscht wurde“, sagt Kiambati.

Warum also ignorieren viele Kenianer die Warnungen von Medizinern? Die Gründe sind vielfältig. Vor allem aber sind die traditionellen Heilmittel billiger als Medikamente aus der Apotheke. Zudem müssten kranke Menschen auf dem Land weite Wege zurücklegen, um überhaupt das nächste Gesundheitszentrum zu erreichen.

Selbst Margaret Muchori gibt zu, während ihrer Schwangerschaft fast dem Mythos über das Bier und die Wehen erlegen zu sein. „Ich war nah dran, Guinness zu trinken. Aber dann habe ich mir überlegt, dass es nicht gut ist etwas einzunehmen, das nicht wissenschaftlich belegt ist“, erklärt die Krankenschwester. (dpa)

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