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Alkohol-Exzess in Türkei: War die Menge tödlich - oder der Alkohol selbst?

Nach dem Alkohol-Tod eines jungen Deutschen im südtürkischen Antalya schweben zwei weitere Schüler aus Schleswig-Holstein noch in Lebensgefahr. Der 21-Jährige, der nach dem Trinkgelage starb, hatte nach Krankenhausangaben sieben Promille. Doch war das allein auch die Todesursache?

Dass junge Leute viel Alkohol trinken, wenn sie als Urlauber in die Türkei kommen, ist für Hotels wie das "Anatolia Beach" in Kemer bei Antalya nichts Außergewöhnliches. In dem All-Inclusive-Hotel sind türkische Alkoholika im Zimmerpreis inbegriffen. Doch was sich in der vergangenen Woche abspielte, war für Hoteldirektor Osman Kafadar neu. "So etwas gab es noch nie", sagt Kafadar. Nach tagelangen Trinkgelagen und einer Saufparty im Hotelzimmer Lübecker Berufsschüler war ein 21-Jähriger tot, sechs weitere junge Deutsche mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Zwei von ihnen schwebten am Montag immer noch in Lebensgefahr. Die Frage, ob die Deutschen zu Opfern von gepanschtem Alkohol wurden, ist unbeantwortet: Ergebnisse der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen werden in den kommenden Tagen erwartet.

Rafael N. hatte nach Aussagen von türkischstämmigen Mitschülern bei Ankunft der Lübecker Gruppe in Kemer am 22. März mit dem Trinken begonnen und nicht weder aufgehört. "Wir haben ihn immer wieder gewarnt", sagten die türkischen Schüler nach Berichten türkischer Medien. Als der Lehrer der Gruppe ein Alkoholverbot verfügte, besorgten sich Rafael N. und einige Freunde aus einem Laden Wodka und zogen sich ins Hotel zurück. Wenig später war Rafeal tot, und seine Saufkumpanen - fünf junge Männer und eine junge Frau - lagen im Krankenhaus. Nach türkischen Medienberichten musste ein Patient von den Ärzten auf der Intensivstation einer Klinik in Antalya wiederbelebt werden.

Zwei der Deutschen gehe es "sehr schlecht", sagte Klinikleiter Irfan Erdogan am Montag. "Wir können sie jeden Augenblick verlieren." Angehörige der Patienten aus Deutschland seien inzwischen in Antalya angekommen.

Einiges deutet auf Vergiftung durch gepanschte Getränke hin

Das Lübecker Bildungszentrums Mortzfeld, an dem Rafael N. und die anderen den Realschlusabschluss ablegen wollten, geht von einer Methylalkohol-Vergiftung durch gepanschte Getränke aus. Das hätten türkische Ärzte den Eltern bestätigt, sagte der stellvertretende Schulleiter Rüdiger Knoll. Auch Sehstörungen bei den Betroffenen deuteten darauf hin.

Es wäre nicht der erste Skandal um gepanschten Alkohol in der Türkei. Vor fast genau vier Jahren tötete schwarz gebrannter Raki mehr als 20 Menschen. Immer wieder gibt es Versuche von Kriminellen, die recht hohen Preise für Alkohol in der Türkei mit schwarz gebranntem Schnaps zu unterlaufen. Erst vor zwei Wochen waren vier Menschen im nordwesttürkischen Bursa nach dem Genuss von gepanschtem Raki gestorben.

War auch in Antalya illegaler Schnaps im Spiel? Klinikleiter Erdogan sagte am Montag, ihm lägen keine Hinweis auf Methylalkohol vor. Rafael N. habe sieben Promille Alkohol im Blut gehabt, sagte Erdogan - eine potenziell tödliche Menge. Man müsse auch bedenken, dass die deutsche Gruppe in den Tagen vorher viel Alkohol getrunken habe. Hoteldirektor Kafadar sagte ebenfalls, gepanschten Alkohol halte er als Todesursache für unwahrscheinlich.

Schnapsreste werden untersucht

Während des Raki-Skandals von 2005 stellte die Polizei auch in der Provinz Antalya eine ganze Lastwagenladung "Todes-Raki" sicher - mehrere tausend Flaschen. In mehreren Hotels wurden damals Flaschen mit dem gepanschten Schnaps gefunden. Von gepanschtem Wodka war damals allerdings nicht die Rede. Auch gibt es keine Hinweise darauf, dass derzeit noch in anderen Orten an der türkischen Südküste illegaler Schnaps im Umlauf ist. Für einen Laden in dem ganz auf ausländische Urlauber ausgerichteten Touristenort Kemer wäre es ein hohes Risiko, schwarz gebrannten Schnaps zu verkaufen.

Die Staatsanwaltschaft in Antalya untersucht den Fall und beschlagnahmte auch Schnapsflaschen im Hotelzimmer der Deutschen. Noch ist aber nichts über die Ergebnisse der Untersuchungen der Schnapsreste in den Flaschen und der Obduktion der Leiche von Rafael N. bekannt. Berichte über Festnahmen im Zusammenhang mit dem Fall liegen ebenfalls nicht vor. Für die türkische Tourismusindustrie, einen der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes, wäre es ein schwerer Schlag, wenn sich herausstellen sollte, dass Urlauber in Antalya durch illegalen Schnaps gefährdet sind.

Türkische Zeitungen beklagen anti-türkische Tendenzen

Hinter der Diskussion, die in den vergangenen Tagen in Deutschland über den mutmaßlichen türkischen Todes-Schnaps aufbrandete, wollen einige türkische Zeitungen bereits anti-türkische Tendenzen erkannt haben. "Ein junger Deutscher stirbt an zu viel Alkohol, und die deutschen Medien beschuldigen die Türkei", kommentierte die Zeitung "Milliyet".

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