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Alle Jahre wieder: Touristen gehen bei Stierhatz in Pamplona tödliches Risiko ein

Pamplona feiert die Stierhatz. Die Tiere sterben, Menschen werden verletzt – doch ein Ende des Spektakels ist nicht in Sicht.

Es war einer der dunkelbraunen Kampfbullen, der mit seinem Horn Keijus rotes Halstuch durchstieß, sich verhakte und den jungen Mann mehrere Meter mitschleifte. Millimeter nur war das große Horn an Hals und Kopf des Japaners vorbeigerutscht. Keiju ist dem Tod an diesem Sommertag in Pamplona nur knapp entkommen. Dort, wo seit dem Samstag und noch bis zum 14. Juli jeden Morgen um acht Uhr sechs braune Kampfstiere zusammen mit sechs weißbraunen Leitochsen losgelassen und durch die Altstadt in die Stierkampfarena getrieben werden. In Pamplona ist das Tradition.
Keiju sagt: „Ich dachte, ich würde hier nicht mehr lebend herauskommen.“ Der 21-Jährige hatte aber Glück, er kam mit Prellungen davon. Und er hat seine Lektion gelernt: „Ich glaube, ich werde nicht mehr bei einem Stiertreiben mitmachen.“ Keiju ist einer der 80 Verletzten, die nach der Stierhatz in der nordspanischen Stadt am Sonntag versorgt werden mussten. Der Japaner aber ist einer der wenigen, die nach der Begegnung mit dem Tod genug von dem wahnsinnigen Treiben haben. Die meisten Verletzten hatten Prellungen, Verrenkungen und Platzwunden erlitten und sehen ihre Wunden eher als eine Art Tapferkeitsmedaillen. Zwei Läufer kamen mit schweren Verletzungen und Knochenbrüchen ins Krankenhaus. Wie durch ein Wunder wurde am zweiten Tag der traditionellen Stiertreiben, die dem Stadtheiligen San Fermin gewidmet sind, keiner der Läufer aufgespießt.
Am Vortag jedoch, an dem es ebenfalls annähernd 80 Verletzte gab, hatte einer der gereizten Stiere, die bis zu 700 Kilogramm wiegen, einen 73-jährigen Spanier auf die Hörner genommen. Er ist ein Stierkampffan aus Teneriffa, der seit 30 Jahren zum weltberühmten Stiertreiben reist, um sich als Hobby-Torero mit den Bullen zu messen. Der Stier schlitzte dem Rentner ein Bein auf. Es sei schon das zweite Mal, dass er von einem Bullen aufgespießt worden sei, berichtete der Mann später nicht ohne Stolz im Krankenhaus.
Mehrere tausend „mozos“, wie die weiß gekleideten Stierläufer heißen, rennen mit den Stieren durch die Straßen. Die meisten sind junge Männer, aber auch einige Frauen sind dabei. Zudem mischen sich immer wieder lebensmüde Touristen darunter – nach einer durchzechten Nacht nicht immer in bester Verfassung.

Video: Verletzte bei Stierhatz in Pamplona

„Die größte Gefahr sind nicht die Stiere, sondern die vielen Menschen auf der Straße“, erzählt einer der Läufer, für den nach einer ausgekugelten Schulter die Stierrennen vorschnell zu Ende gingen. Wenn einer stolpert, fallen gleich Dutzende. Auch gibt es immer Gerangel und Geschubse, um den Bullen mit ihren spitzen Hörnern so nah wie möglich zu kommen und dann, wenn es gefährlich wird, im letzten Moment beiseite zu springen. Das ist der Kick, den Leute wie der 19-jährige Spanier Mikel suchen. Auch er holte sich bei einem Sturz Schrammen, versichert aber begeistert: „Morgen werde ich wieder laufen.“ Die Stiertreiben von Pamplona, die einer jahrhundertealten Tradition entspringen, sind das wohl bekannteste Stier-Ereignis der Welt. In den letzten 100 Jahren wurden mindestens 15 Menschen dabei getötet und zigtausende verletzt. Nachdem der US-amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway in seinem schon 1926 veröffentlichten Roman „Fiesta“ das Stiertreiben verewigte, kommen viele ausländische Besucher vor allem aus der englischsprachigen Welt, um sich das Spektakel anzusehen – oder eben mitzulaufen.

Die Spektakel sind auch in Spanien umstritten. Tierschützer protestieren schon lange dagegen. Das Interesse geht zurück, nur noch eine Minderheit der Spanier interessiert sich dafür. Aber ein Verbot der Stierhatz, die sogar vom staatlichen Fernsehen live und mit lohnenden Einschaltquoten übertragen wird, ist nicht in Sicht. Für die Stadt Pamplona ist dieses neuntägige und feuchtfröhliche Stier-Volksfest mit acht Stiertreiben und nachfolgenden Stierkämpfen vor allem ein großes Geschäft – auch wenn viele wegen der Wirtschaftskrise nicht mehr ganz so viel Geld ausgeben wie früher.

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