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Ostsee Munition

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Alte Munition: Tickende Zeitbomben in der Ostsee

In der Ostsee lauern ungeahnte Gefahren für Fischer und Taucher. Munition aus dem Zweiten Weltkrieg wurde dort nach Kriegsende teils wahllos verklappt. Die Bergung ist unmöglich, die Sprengung umweltschädlich.

Seit mehr als 60 Jahren birgt die Ostsee ein gefährliches Sprengstoffpotenzial. An zahlreichen Stellen liegen auf dem Meeresgrund Munitionsreste aus dem Zweiten Weltkrieg. Nach Angaben des schleswig-holsteinischen Kampfmittelräumdienstes gibt es keine verlässlichen Schätzungen, wie viele Minen, Torpedosprengköpfe, Bomben und Giftgasgranaten sich in Küstennähe auf dem Meeresboden befinden. Umweltschützer warnen aber davor, dass immer mehr Munition durchrostet und ihre giftigen Inhaltsstoffe freigibt. Am Freitag diskutieren Experten auf einem Symposium in Kiel Möglichkeiten zur Beseitigung der Altlasten. "Wir haben Glück, dass in der Ostsee bis heute keine Todesfälle zu beklagen sind", sagt der Umweltgutachter Stefan Nehring. Vor der niederländischen Küste seien 2005 drei Fischer ums Leben gekommen, als eine Bombe an Deck ihres Fischerboots explodierte. Auch für die Ostseefischer bestünden ähnliche Gefahren. Statistisch gesehen gingen einem Fischer bis zu 3000 Kilogramm Munition pro Jahr ins Netz.

Es wird vermutet, dass in der Ostsee mehrere hunderttausend Tonnen Munition versenkt wurden, darunter vor allem auch das besonders gefährliche Giftgas. Angesichts der Altlasten stehen einige Experten der geplanten deutsch-russischen Ostseepipeline kritisch gegenüber. "Die genaue Lage der meisten Munition ist unbekannt", warnt auch Nehring. Im Zuge der von den Alliierten nach Ende des Krieges angeordneten Entsorgung der Munition hätten viele Bootsführer ihre Fracht bereits auf dem Weg zu den vorgesehenen Stellen verklappt, weil sie pro Ladung entlohnt wurden. Während erste Untersuchungen an ausgewählten Munitionsfeldern in der Nordsee bereits erfolgt sind, weiß man über das gefährliche Material in der Ostsee bis heute nur wenig.

Munitionsfeld vor der Kieler Förde

Erst vor drei Jahren entdeckte ein Taucher vor der Kieler Außenförde im Bereich der sogenannten Kolberger Heide ein Unterwasserfeld bestehend aus insgesamt rund 120 Großsprengkörpern. Vor allem Torpedosprengköpfe und Seeminen wurden gefunden. Nachdem ein Fernsehteam Unterwasseraufnahmen von durchgerosteten Metallhüllen machte, ließ das schleswig-holsteinische Umweltministerium ein Gutachten erstellen. Laut Ministerium wurde dabei "keine nennenswerte Belastung der Meeresumwelt" beispielsweise durch den häufigsten Sprengstoff Trinitrotoluol (TNT) festgestellt. Durch den über Jahrzehnte dauernden Wasseraustausch trete eine enorme Verdünnung der Schadstoffe auf, sagt Ministeriumssprecher Christian Seyfert.

Dagegen sagt der Umweltgutachter Nehring, in der Kolberger Heide bröckele aus der Munition TNT ins Wasser. Dieser hochgiftige Stoff kann bereits in geringer Dosis Lebewesen schädigen.

Sprengung macht Schweinswale taub

Insgesamt 33 Sprengungen wurden in der Kolberger Heide seitdem vorgenommen, wie der Leiter des schleswig-holsteinischen Kampfmittelräumdienstes, Elmer Wartmann, berichtet. Seinen Angaben zufolge liegen dort derzeit noch rund 50 Torpedosprengköpfe, 20 Grundminen und 20 Ankertauminen. Umweltschützer warnen vor den Auswirkungen möglicher weiterer Sprengungen für Meeresbewohner. Schweinswalen drohten im Radius von zehn Kilometern von einer Sprengung Hörschäden, sagt der Schweinswalexperte Sven Koschinski. Er fordert deshalb, den Schalldruck bei künftigen Sprengungen durch einen sogenannten Blasenvorhang zu verringern.

Eine umweltfreundliche Beseitigung der Munitionsbestände in Nord- und Ostsee steht im Mittelpunkt des von Nabu Schleswig-Holstein, der Gesellschaft zur Rettung der Delphine und der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere veranstalteten Symposiums in Kiel. Neben Umweltschützern und Wissenschaftlern sind auch Vertreter von Bund, Ländern und untergeordneter Behörden dabei. Bei den Gesprächen geht es insbesondere um das Depot in der Kolberger Heide. "Aus Sicherheitsgründen gibt es zu einer Sprengung keine Alternative", sagt Wartmann. Dennoch stehe er den Argumenten für andere Lösungsmöglichkeiten offen gegenüber. (mit ddp)

André Klohn

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