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Panorama: Am Rande des Nervenzusammenbruchs

Der Zirkus um Paris Hilton erzeugt einen Medienrummel ohne Beispiel – kein anderes Thema erregt die Amerikaner mehr

Sogar die „New York Times“ brachte Paris Hilton auf Seite eins. Der Zirkus um die Hotelerbin erzeugt in den USA einen Medienrummel, der ohne Beispiel ist. Das Thema beherrscht Zeitungen und Fernsehen, Privatgespräche und öffentliche Debatten. Fernsehsender berichten live, Helikopter mit Kamerateams verfolgen das Polizeiauto, das Paris Hilton zum Gericht fährt. Vor dem Gericht, vor dem Gefängnis, vor ihrer Villa versammeln sich Hunderte Reporter und Schaulustige. Als ihre Eltern vor dem Gericht vorfahren, verschwindet das Auto in einem chaotischen Pulk. Was ist mit den Amerikanern los?

Hinter dem Rummel verbergen sich ernste Themen. Herrscht in den USA eine Zwei-Klassen-Justiz? Die Empörung über die zwischenzeitliche Haftentlassung ist groß. Gilt für die Reichen und Schönen der Gesellschaft ein anderes Maß?

Es war wirklich eine schwarze Woche für Hilton, eine Woche, die weder sie noch die verblüffte Öffentlichkeit so schnell vergessen wird. Sie begann mit einer reichlich gefassten 26-Jährigen, die sich mitternächtlich auf den Weg ins Gefängnis macht, um 23 Tage ihrer 45-tägigen Haftstrafe für verschiedene Verkehrssünden abzusitzen.

Sie endet mit einem melodramatischen Zusammenbruch blank liegender Nerven. Schreiend, schluchzend und hysterisch nach ihrer Mama rufend, wurde Hilton am Freitag aus dem Gerichtssaal in Los Angeles abgeführt und wanderte erneut hinter Gitter. Dieses Mal jedoch nicht im Frauengefängnis in Lynwood, sondern für eine ärztliche Untersuchung im Twin-Tower-Gefängnis im Zentrum von Los Angeles. So machte die Hilton-Story einige Windungen und Wendungen durch. Rein ins Gefängnis, drei Tage später raus aus dem Gefängnis, weil Sheriff Lee Baca Mitleid verspürt. Dann wieder zurück, weil sich Richter Michael T. Sauer von den Tiraden dieser Frau, den dramatischen Berichten ihrer Anwälte und Psychiater nicht erweichen lässt.

Baca weist jeden Verdacht der „Klassenjustiz“ zurück. Hiltons Gesundheitszustand habe ihm am Herzen gelegen. Doch ist er in Hollywood kein Unbekannter. Nicht nur, weil er 20 000 Häftlinge verwaltet und sich darunter der eine oder andere Promi findet. Baca hat auch schon mal mit Michael Douglas gegolft und von Sylvester Stallone Spenden für seine Wahlkampagne angenommen.

Und es ist nicht das erste Mal, dass sein Department ins schiefe Licht der Vorzugsbehandlungen für Prominente gerät. Im vergangenen Jahr wurde ein Sheriff, der Mel Gibson wegen Trunkenheit am Steuer einbuchtete, aufgefordert, rassistische Flüche des Schauspielers aus dem Polizeireport zu streichen. Baca betont, dass er nichts mit dieser Entscheidung zu tun hatte. Auch rege er sich nicht darüber auf, dass seine Kritiker seinen Kopf fordern.

Der Rummel um die Millionenerbin spaltet eine auf das Leben und Leiden von Berühmtheiten fixierte Öffentlichkeit. Sind 45 Tage Haft eine wohlverdiente Strafe für eine Frau, die glaubt, über dem Gesetz zu stehen? Oder statuiert Richter Sauer an Hilton ein Exempel, gerade weil sie über gesellschaftliche Normen die Nase rümpft und der Staatsanwaltschaft ihre mit einem fetten Bankkonto ererbte Leichtigkeit des Seins vorführt? Der harte Fall der weich Gebetteten musste ja kommen, sagen nun die, die zwischen Empörung, Faszination und Schadenfreude schwanken.

Durch Paris Hilton erfährt die Öffentlichkeit mehr über das Leben hinter schwedischen Gardinen, als sie je wissen wollte. Zwar wird gemunkelt, dass fehlende Pharmasubstanzen Hilton an den Rand eines Nervenzusammenbruchs trieben und nicht fehlende Feuchtigkeitscreme oder die Knastkantine.

Tatsache ist aber, dass die überfüllten Haftanstalten in den USA mit ihrem hohen Anteil an geistesgestörten Insassen und einer allgegenwärtigen Gewalt eine wahre Strafe sind.

Egal, ob es sich dabei um arme Schwarze handelt oder um eine porzellanpuppenweiße Millionärin.

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