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Panorama: Am Schuh erkennt sie den Richtigen

Gut angezogene Männer sind immer häufiger auf der Straße zu sehen. Das fällt auf, weil es nie sehr viele waren.

Von Andreas Oswald

Gut angezogene Männer sind immer häufiger auf der Straße zu sehen. Das fällt auf, weil es nie sehr viele waren. Noch mehr fallen diejenigen unter den Gutgekleideten auf, die gute Schuhe tragen, das sind noch weniger. Umgekehrt sehen Frauen - und Männer - manchmal einen jüngeren, gutaussehenden Typen auf einem altmodischen Rad, eher zurückhaltend, konservativ gekleidet, das Sakko ist schon etwas abgenutzt. Aber irgendetwas scheint an diesem Mann etwas Besonderes zu sein. Erst auf den zweiten Blick wird es deutlich. Es sind die Schuhe. Sie sind gar nicht auffallend, auch schon länger getragen und trotzdem fallen sie auf. Sie sehen aus, als hätten Handwerker lange daran gearbeitet und oft daran repariert. Sie sehen gepflegt aus, aber auch benutzt und sie scheinen fast ein eigenes Gesicht zu haben, diese Schuhe.Kenner, darunter viele Frauen, sehen das sofort. Dieser Typ kommt für sie in Frage. Es kann passieren, daß sie vor der ersten Nacht, wenn er die Schuhe ausgezogen hat und noch einmal ganz schnell im Bad verschwindet, schnell und heimlich an den Schuhen riechen. Der Typ im Bad merkt das nicht, aber wenn er es wüßte, er machte sich überhaupt keine Sorgen. Seine Schuhe riechen gut. Das ist der richtige Ausdruck. Sie duften nicht. Sie riechen einfach gut. Wie getragenes Leder mit einem Stich Zedernholz und ganz normalem, frischen Fußschweiß.Es gibt nicht viele Männer, die einen solchen Test bestehen. Aber es gibt einige.Es ist keine Frage des Einkommens. Es gibt Studenten, die für gute Schuhe sparen. Sie wissen, daß sie die richtige Frau nicht deshalb bekommen, weil sie in möglichst jungen Jahren schon ein eigenes Auto haben. Umgekehrt gibt es Leute mit einem Jahreseinkommen von 200 000 Mark, die aber nicht daran denken, daß Frauen zuerst den Fuß sehen, wenn er aus dem dicken Wagen steigt. "Männer und Schuhe", seufzen die Frauen dann und würdigen ihn keines weiteren Blickes.Männer, die gute Schuhe tragen, erkennen sich sofort. "In stillem Einverständnis tauschen sie Blicke aus, sagen aber keinen Ton", erzählt Werner Hürtgen. Der Berliner Architekt gehört mit seinen zwölf Paar Schuhen noch nicht zu den Schuhfreaks. Wenngleich andere Männer ihn so bezeichnen würden. Hürtgen trägt gute Schuhe, "Church", "Allen Edmonds", "Alden", "Edward Green". Schuhe, die zwischen 450 und 900 Mark kosten. Er selbst bezeichnet sich eher als Liebhaber, der Freude an guter Qualität hat. Mit zwölf Jahren sah er in London in den Burlington Arcades "Church"-Schuhe. Die wollte er haben. Seitdem ist er von guten Schuhen nicht mehr losgekommen.Gute Schuhe, darunter versteht er nicht teure 700-Mark-Schuhe von Prada oder Mode-Erzeugnisse anderer Designer. Es geht um den klassischen Schuh. Rahmengenäht muß er sein. Und von einem der guten Hersteller sein. Neben den Genannten sind das Grenson, Eduard Meier, Ludwig Reiter, Crocket und Jones und - der Rolls Royce unter den Schuhen - John Lobb. Es gibt noch eine Reihe weiterer Namen, entscheidend ist: der Schuh muß rahmengenäht sein.Es gibt richtige Schuhfreaks, die haben im Laufe der Jahre 100 Paare gekauft. Die wenden eine volle Stunde auf, um ein Paar zu putzen. Streifen einen Nylonstrumpf über die Bürste, um den Schuh richtig zum Glänzen zu bringen. Und wenn ihr Pferdeleder-Schuh von Alden - solche trägt gelegentlich, wie wir wissen, auch unser Bundeskanzler - einen kleinen Riß im Oberleder bekommen hat, weil jemand auf den Fuß getreten ist, dann bekommt ihr Schuh eine Spezialbehandlung. Mit einem Knochen von einer Hirschkuh, selbstfettend, wird die Stelle gerieben, bis sie wieder blank ist.Thomas M. Hoffmann bezeichnet sich als Schuhfreak. Seinen ersten guten Schuh hat er sich mit 17 Jahren gekauft und ist seitdem nicht mehr davon losgekommen. 30 Jahre ist der Schuh alt und manchmal zieht er ihn noch einmal an. Oft werden seine Schuhe nicht getragen. Da er über 100 Paare zuhause liegen hat, kommen die Schuhe eher selten zu ihrer Bestimmung. Dafür hat er für jeden Anlaß etwas. "Der feine Schuh ist aus Boxcalf-Leder", sagt Hoffmann. Für Bälle und andere besondere abendliche Anlässe ist ein Oxford-Schuh genau das Richtige. "Oxford", das ist die Formbezeichnung. Er sieht schlicht und edel aus, vorne ist die Kappe leicht abgesetzt. Einen schwarzen Oxford-Schuh, diese Form bieten alle renommierten Hersteller an, sollte jeder Mann haben. Er ist für Festlichkeiten ein Muß und sieht auch bei Tage eher gut aus. Hoffmann, ehemaliger Manager in der Autoindustrie, hat sein Hobby zum Beruf gemacht und in der Uhlandstraße 150 das Schuh-Geschäft "Classic-Shoes" eröffnet.Schuhfreaks streiten darüber, ob man seine Sohlen mot einem Spezialöl einreiben soll, wie es Eduard Meier anbietet. Andreas Schläwicke, der das Geschäft "Budapester Schuhe" am Kurfürstendamm 199 und in der Friedrichstraße 81 betreibt, hält das nicht für nötig. "Schuhe mit einer guten Sohle brauchen das nicht", sagt Schläwicke. Eine Rendenbach-Sohle - das ist die beste - ist wasserfest genug. Schuhmacher Karl-Heinz Meiners rät sogar dringend ab. "Das Öl verschließt das Leder", sagt Meiners. "Sie bekommen Schweißfüße".

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