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Update

Amanda Knox droht Auslieferung: Freispruch aufgehoben

Amanda Knox muss erneut vor Gericht: In dem Prozess um den Mord an einer britischen Austauschstudentin war sie zunächst freigesprochen worden, nun hat ein italienisches Gericht das Urteil aufgehoben.

„Sie glauben mir immer noch nicht“, erklärte die enttäuschte Amanda Knox gestern am Telefon ihrem italienischen Anwalt Carlo Dalla Vedova. Die 25- jährige US-Studentin aus Seattle steht – zusammen mit ihrem italienischen Ex- Lover Raffaele Sollecito – in Italien erneut unter Mordanklage. Gegenüber der „Seattle Times“ bezeichnete Knox die Anschuldigungen als „völlig unfundiert und ungerecht“. Sie und ihre Familie würden „diese juristische Schlacht so angehen, wie wir das immer getan haben: erhobenen Hauptes und im Vertrauen darauf, dass die Wahrheit ans Licht kommt“.

Seit dem letzten Urteil lautete die Wahrheit: Amanda Knox, der „Engel mit Eisaugen“, wie sie von der italienischen Presse tituliert wurde, und ihr damaliger italienischer Freund Raffaele Sollecito waren nicht dabei gewesen, als ihre 22-jährige Mitstudentin Meredith Kercher zu Tode kam. So hatte es das Berufungsgericht von Perugia am 3. Oktober 2011 entschieden und die zwei wichtigsten DNA- Beweismittel der ersten Instanz als unbrauchbar bezeichnet. Es gebe keine handfesten Beweise für eine Beteiligung der beiden jungen Menschen an der Tat; sie seien deshalb sofort aus dem Gefängnis zu entlassen. Das höchste Gericht in Italien, der Kassationshof, zweifelt nun an dieser Wahrheit und ordnet an: Das Ganze von vorn, vor dem Berufungsgericht in Florenz. Die Wahrheitssuche hatte sich von Anfang an schwierig gestaltet und dauert nun schon über fünf Jahre. Fest steht nur: Die 22-jährige Meredith Kercher, Austauschstudentin aus dem britischen Leeds, war am 2. November 2007 halbnackt und mit zerstochener Kehle in ihrem Zimmer aufgefunden worden. Vor ihrem Tod war sie vergewaltigt geworden. Ihre Mitbewohnerin Knox und Sollecito waren deswegen im Jahr 2009 wegen Mordes zu 26 und 25 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Ein dritter Tatbeteiligter, der schwarze Hilfsarbeiter Rudi Guede, hatte zuvor in einem separaten Verfahren 16 Jahre Gefängnis erhalten; er hatte gestanden, beim Sexmord dabei gewesen zu sein. Die eigentliche Tat hat er aber Knox und Sollecito in die Schuhe geschoben.

Bis zum Freispruch im Oktober 2011 waren Knox und Sollecito fast vier Jahre im Gefängnis gesessen. Unschuldig? Schuldig? Zumindest bei Knox sind drei Jahre davon von einer gestern rechtskräftig gewordenen Strafe wegen Verleumdung abgedeckt. Die US-Studentin hatte einige Tage nach dem Mord an Meredith einen afrikanischen Barkeeper der Tat beschuldigt, um den Verdacht von sich und Sollecito abzulenken. Der Barkeeper saß einige Wochen in Untersuchungshaft, bis ihm ein Gastprofessor ein wasserdichtes Alibi gab. Die Falschbeschuldigung hat Knox in Italien wenig Sympathien eingetragen. Die US-Studentin und ihr Exfreund haben bis heute auch kein Alibi für die Mordnacht. Andererseits ist die Staatsanwaltschaft bis heute eine Antwort auf die Frage nach einem möglichen Mordmotiv schuldig geblieben. Die Ankläger haben viele Indizien, aber keine Beweise.

Nach der gestrigen Aufhebung der Freisprüche durch das höchste italienische Gericht dürfte der Glaubenskrieg um Schuld oder Unschuld weitergehen. Die Mordtat hat die Beobachter längst in zwei Lager geteilt. Für die US-Medien ist Amanda Knox das unschuldige Opfer einer unfähigen italienischen Justiz. Ein US-Sender hatte vor dem Berufungsurteil im Oktober 2011 sogar gefordert, Präsident Barack Obama solle eine Eliteeinheit der Marine losschicken, um die junge US-Bürgerin aus ihrem Kerker zu befreien. Für das Anti-Amanda-Lager ist Knox dagegen der Prototyp des männerverschlingenden Vamps, die nichts als Drogen, Sex und Partys im Sinn gehabt und ihre beiden willenlosen männlichen Begleiter im Sex- und Drogenrausch zur Bluttat angestiftet habe.

Die Rückkehr in ein italienisches Gefängnis muss Amanda Knox nicht befürchten. Unabhängig davon, wie das neue Verfahren ausgehen wird – die USA liefern ihre Staatsbürger nicht an Drittstaaten aus. Auf die Frau warten in ihrer Heimat dafür neue Verpflichtungen. Am 30. April gibt sie dem Sender ABC für ein Millionenhonorar ihr erstes Interview seit ihrer Rückkehr nach Seattle. Am gleichen Tag erscheint ihre Autobiografie „Waiting to Be Heard“, für die sie von ihrem Verlag Harper Collins einen Vorschuss von vier Millionen Dollar erhalten hat. Was ihre Vermarktungsstrategien angeht, passt die Aufhebung des Freispruchs zeitlich gut zum Erscheinen des Buchs.

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