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Amoklauf-Drohung: Hysterie oder Vorsorge?

Nach der Amoklauf-Drohung in Baden-Württemberg geht die Diskussion um eine angemessene Reaktion der Behörden weiter. Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech verteidigte die Informationspolitik der Landesregierung.

Berlin - Auch Niedersachsens Kultusminister Bernd Busemann (CDU) befürwortete die Schließung einer Schule, wenn eine konkrete Gefährdung da sei. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält dagegen das Agieren zur Bewältigung der Amok-Drohung für unprofessionell.

Nachdem im Internet für Mittwoch ein Amoklauf angekündigt worden war, hatte das baden-württembergische Kultusministerium die rund 4800 Schulen im Land gewarnt. Die Polizei führte mehrere Durchsuchungen und eine Fahndung durch. Mehrere Schulleiter hatten entschieden, die Schulen erst gar nicht zu öffnen.

Verunsicherte Öffentlichkeit

Polizeitaktisch hätte es Möglichkeiten gegeben, für die Sicherheit an den Schulen zu sorgen, ohne die Öffentlichkeit zu beunruhigen und gleichzeitig den Täter zu warnen, kritisierte der GdP-Landesvorsitzende Josef Schneider in Stuttgart. Die Öffentlichkeit sei verunsichert. Es werde wohl Tage oder Wochen brauchen, bis konkrete Fakten ermittelt seien, die wieder zur Beruhigung beitragen würden. Schneider warf dem Kultusministerium vor, die öffentliche Aktion einseitig gestartet zu haben. Eine öffentliche Warnmeldung dürfe nur vom Innenministerium veranlasst werden.

Die Kritik an der öffentlichen Warnung vor einem Amoklauf sei "völlig unberechtigt" und gehe "an der Sache vorbei", sagte Innenminister Rech. Die Behörden müssten in einem solchen Fall "ein hohes Maß an Fürsorglichkeit und Verantwortlichkeit" an den Tag legen. Eine andere Entscheidung sei nicht möglich gewesen. Den Vorwurf, die öffentliche Warnung habe zu Unruhe und Chaos geführt, wies der Minister zurück. Busemann sagte, die Entscheidung über einen Schulbesuch ihrer Kinder in einer solchen Situation dürfe nicht den Eltern überlassen bleiben.

Öffentliche Aufmerksamkeit könnte stimulierend wirken

Nach Ansicht des Aachener Psychoanalytikers Micha Hilgers könnte die große öffentliche Aufmerksamkeit manche Täter "eher stimulieren als abschrecken". Diese Hysterie sei "Balsam auf die verletzten Seelen derjenigen, die für Amok-Taten in Frage kommen". Die Realisierung solcher Taten würde eher wahrscheinlich. Es gebe immer mehr Jugendliche, "die sich in eine Art Scheinwelt zurückziehen", betonte Hilgers. Sie könnten nicht mehr richtig unterscheiden zwischen Fantasie, virtueller Welt und Realität.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ingo Wolf (FDP) rief Eltern, Lehrer und Schüler zum rechtzeitigen Einschreiten bei einem Verdacht auf eine Gewalttat an Schulen auf. "Wir brauchen eine Kultur des Hinsehens, diese Gleichgültigkeit müssen wir wegkriegen", sagte Wolf. Er mahnte zugleich, dabei aber "sehr sorgfältig" vorzugehen. Es sei der falsche Weg, "ins Blaue Panik auszulösen".

Mit Kindern und Jugendlichen müsse an den Schulen und in den Elternhäusern unbedingt über dieses Thema geredet werden, sagte die Vorsitzende des Bundeselternrates, Anja Ziegon. Morddrohungen seien keine Scherze. (tso/ddp)

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