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Webber

© dpa

Andrew Lloyd Webber: Melodienmacher für Millionen

Mr. Musical wird sechzig: Andrew Lloyd Webber denkt über eine Fortsetzung des "Phantoms der Oper" nach.

Berlin - Wer in diesen Tagen in seinem Bekanntenkreis erzählte, dass Andrew Lloyd Webber am heutigen Samstag 60 Jahre alt wird, der erntete stets ein erstauntes: „Was, erst?“. In der Tat dominiert der britische Komponist seit einer gefühlten Ewigkeit den internationalen Musical-Markt. 1968 konnte er seinen ersten Erfolg mit der satirischen Pop-Kantate „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“ feiern, 1971 folgte das rockige „Jesus Christ Superstar“, 1978 kam das Biografical „Evita“ heraus. „Cats“ brachte es ab 1981 in London auf 8949 Aufführungen in Folge, „Das Phantom der Oper“ wird in der britischen Hauptstadt seit 1986 ohne Unterbrechung gespielt, hält in New York den Laufzeitrekord für eine Bühnenproduktion am Broadway und wurde mittlerweile in 119 Städten in 24 Ländern originalgetreu nachgespielt. Das Rollschuhspektakel „Starlight Express“ (1984) erwies sich zwar in Großbritannien mit „nur“ 781 Vorstellungen für Webber-Verhältnisse als Flop, entwickelte sich aber ab 1988 zum Dauerbrenner in Deutschland mit über 11,5 Millionen Zuschauern in einer extra für das Stück erbauten Halle in Bochum.

Andrew Lloyd Webber, der durch seinen Vater, einen Professor am Royal College of Music in London, eine klassische Ausbildung erhalten hat, bevor er sich fürs Entertainment entschied, ist heute der erfolgreichste Tonsetzer der Gegenwart. Sein Vermögen wird auf 550 Millionen Pfund Sterling geschätzt. Seit 1997 hat er auf Lebenszeit einen Sitz im House of Lords, darf sich Baron of Sydmonton Court nennen. Sydmonton heißt Webbers Landsitz in Hampshire, in dem er regelmäßig vor einem handverlesenen Publikum seine neuesten Projekte präsentiert. In der südenglischen Abgeschiedenheit dürfte bald auch eine Privataufführung vom „Phantom 2“ stattfinden. Nach eigenem Bekunden sammelt der Komponist derzeit Material für eine Fortsetzung seines Bestsellers. Die ziemlich rockig werden soll: „Das Stück ist zwar als Oper verkleidet“, erklärte er vor kurzem, „aber wir wissen doch alle, dass das Phantom in seinem Herzen ein Rock ’n’ Roller ist.“

Andrew Lloyd Webber hat das Genre des Musicals revolutioniert, indem er die Idee von Richard Wagners Gesamtkunstwerk konsequent kommerziell weiterdachte: Von seinen Mega-Musicals gibt es jeweils nur eine genehmigte Version, nämlich die von ihm selber betreute Uraufführungsproduktion, die überall auf der Welt identisch nachgespielt werden muss. Webber war hier ein echter Pionier, sein Prinzip wird längst auch von den anderen großen Playern im Musical-Business wie Disney oder dem holländische Konzern Stage Entertainment verfolgt. So entstehen Markenprodukte für die globalisierte Unterhaltungsindustrie. Der Kunde an der Kasse kann sich sicher sein, die Show überall in derselben Qualität und Optik wiederzufinden – wie bei einem Hamburger von McDonald’s.

Möglich wurde Webbers einzigartiger Erfolg allerdings erst durch die allgemeine Mobilmachung der Touristen seit den achtziger Jahren: Die Mode der Städtereisen, zuletzt durch die Billigfliegerangebote nochmals enorm angeheizt, führte dazu, dass Hunderttausende in den Metropolen mit abendlicher Unterhaltung versorgt werden müssen. Ein Musical-Besuch stellt da sowohl im Familien- wie im Freundeskreis stets die konfliktärmste Konsenslösung dar.

In ihrem kunterbunten Stilmix bieten Shows wie „Cats“ oder das „Phantom“ aber auch für jeden etwas, vom Mainstream-Rock bis hin zum Sentimental- Opernhaften im Puccini-Stil. Die „New York Times“, die dem Broadway-Eindringling von der britischen Insel stets kritisch gegenüberstand, verlieh Webber darum den nicht nur schmeichelhaft gemeinten Titel eines „Poperetta King“. Dass Ulrich Müller, der Autor einer gerade rechtzeitig zum Geburtstag im Verlag C. H. Beck erschienenen Biografie des Komponisten, als Professor für Ältere Deutsche Literatur an der Universität Salzburg lehrt, zeigt exemplarisch, dass wirklich jeder zum Webber-Fan werden kann.

Seinen Sechzigsten will Mr. Musical heute übrigens ganz bescheiden feiern. Nachdem die britische Yellow Press von Vorbereitungen zu einer fünf Millionen Pfund teuren Party berichtet hatte, ließ der Komponist erklären, er werden lediglich mit seiner dritten Frau Madeleine sowie drei Dutzend seiner engsten Freunde in einem Restaurant auf Mallorca anstoßen. Zur musikalischen Umrahmung sei eine lokale Rockband engagiert. Wessen Hits die wohl spielen wird?

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