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Das Geburtshaus von Adolf Hitler in Braunau (Österreich).

© dpa

Angst vor Nazi-Pilgern: Bleibt Hitlers Geburtshaus in Staatsbesitz?

Die Enteignung ist die „ultima ratio“, wenn nichts mehr hilft. Die Republik Österreich hat im Fall von Hitlers Geburtshaus dazu gegriffen. Den Schritt prüft jetzt Österreichs höchstes Gericht.

Es geht um die Liegenschaft Salzburger Vorstadt Nr. 15, Braunau am Inn. Ein 1500 Quadratmeter großes Areal in einem seit 1993 denkmalgeschützen Ensemble. Doch ist dies nicht irgendein Grundstück: Hier steht Hitlers Geburtshaus.

Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat am Donnerstag darüber verhandelt, ob die Enteignung der Hausbesitzerin rechtens war. Dazu muss im Kern geklärt werden, ob nur durch diesen Schritt ein bestimmtes Ziel erreicht werden kann: Das Areal so gründlich umzugestalten, dass es nicht mehr als Pilgerstätte für Neonazis attraktiv ist.

„Die tiefgreifende architektonische Veränderung kann nur der Eigentümer machen“, meinten die Vertreter der Regierung. Falsch, sagt der Anwalt der ehemaligen Besitzerin, Gerhard Lebitsch. „Die Lösungsvorschläge waren immer ein wenig halbherzig“, kritisierte er das Verhalten der Regierung.

Der VfGH könnte mit seiner Entscheidung, die in wenigen Wochen erwartet wird, erneut für Aufsehen sorgen. Vor einem Jahr kippte er in einem historischen Verfahren die komplette Bundespräsidentenwahl in Österreich und ordnete eine Neuauflage an. Sollte er das Gesetz zur Enteignung der Liegenschaft in Braunau vom Dezember für verfassungswidrig erklären, wäre das eine schallende Ohrfeige - vor allem für das federführende Innenministerium.

500 Quadratmeter Grund hat das dreistöckige Gebäude, 1000 Quadratmeter Fläche umfassen die Parkplätze und Garagen. Dass der Staat gleich alles enteignet und damit unverhältnismäßig gehandelt hat, ist einer der Klagegründe. „Die Enteignung sei auch überschießend, weil mehr Eigentum in Anspruch genommen werde - nämlich die gesamte Liegenschaft - als unbedingt notwendig“, zitierte das Gericht aus der Klage.

Immer wieder Ziel für die Nazi-Szene

Am 20. April 1889 war der spätere Diktator Adolf Hitler in dem Haus geboren worden. Nur einige Monate verbrachte seine Familie noch dort, bevor sie umzog. Dennoch - da sind sich beide Seiten einig - ist das Gebäude als Teil eines „Mythos“ immer wieder Ziel für die Neonazi-Szene. Rechtsextremisten aus Ungarn ließen sich davor gern ablichten, meinte ein Regierungsvertreter. „Viel gefährlicher sind aber die Gruppen, die subkutan auftreten“ - also heimliche Nazi-Sympathisanten, ergänzte er. Seit einigen Jahren formuliert die Regierung deutlicher denn je ihr Unbehagen über diese Umtriebe.

„Die Neutralisierung des Ortes hätte man schon seit 40 oder 50 Jahren machen können“, sagt Lebitsch. Denn seit Jahrzehnten war die öffentliche Hand Mieterin des Gebäudes. Zunächst war eine Schule, später eine Behindertenwerkstätte dort untergebracht. Als es keine Einigung über behindertengerechte Umbauten gab, zog die Werkstätte aus. Seit 2011 steht das Gebäude leer, für das die Republik seitdem 300 000 Euro an Miete überwiesen hat. Doch die Kommunikation zwischen der schwerkranken und medienscheuen Besitzerin und dem Ministerium über eine sinnvolle Neunutzung funktionierte offenbar nicht. Beide Seiten beschuldigen sich in dieser Frage gegenseitig.

2016 setzte das Innenministerium eine Experten-Kommission ein, die über eine angemessene Nutzung und Neugestaltung befinden sollte. Die Fachleute waren gegen Abriss und Museum, sondern für die künftige Umgestaltung des Areals ohne Wiedererkennungswert. Jetzt hat der VfGH das letzte Wort, ob dazu die Enteignung nötig war. (dpa)

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