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Eine Dompteurin tritt mit Elefanten im Zirkus auf.

© dpa

Antrag der Länder: Bundesrat fordert Verbot von Wildtieren im Zirkus

Wildtiere im Zirkus spalten die Geister. Die Länder fordern nun von der Bundesregierung ein endgültiges Verbot - doch es gibt hohe Hürden.

Ein Elefant balanciert, Vorderbeine in der Luft, auf seinen Hinterbeinen. Tiger springen durch brennende Reifen, Bären lassen Hula-Hoop-Reifen um die Hüften kreisen. Seit Jahrzehnten sind Kunststücke mit Wildtieren vom Zirkus kaum wegzudenken - und neben ihnen stets der Mensch, Trainer und Kompagnon. Vom Kinderliebling "Dumbo", dem fliegenden Elefanten, bis zum Kinofilm "Wasser für die Elefanten": In der Literatur und auf der Leinwand wurden Zirkustiere oft gefeiert, auch als Menschenfreund. Zwar greift immer mal ein Bösewicht zur Peitsche - meist aber eilt jemand dem Tier zu Hilfe.

Doch müssen Wildtiere in Zirkussen nicht gerade vor dem Menschen gerettet werden? Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge finden 65 Prozent der Menschen in Deutschland die Haltung exotischer Tiere in einem Zirkus moralisch nicht in Ordnung. Nun haben die Länder auf Initiative von Hessen, Thüringen, Saarland, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz einen neuen Anlauf für ein Verbot genommen.

Der Bundesrat fordert Bundesregierung zum Handeln auf

Ihre Position: Bereits in 17 EU-Ländern gebe es ein Verbot oder eine starke Einschränkung von Wildtieren im Zirkus. Nun müsse endlich die Haltung in Deutschland vor allem von Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörnern, Nilpferden und Affen (nicht-menschlichen Primaten) in Betrieben, die die Tiere an wechselnden Orten zur Schau stellen, verboten werden. Mit einem Entschließungsantrag, der am Freitag in Berlin verabschiedet wurde, fordert der Bundesrat die Bundesregierung zum Handeln auf.

Denn die Länder und Tierschützer sind sich einig: Eine artgerechte Haltung von Wildtieren ist in Zirkussen nicht möglich. Weiblichen Elefanten etwa, normalerweise Herdentiere, fehle in Zirkussen meist sehr wichtiger Sozialkontakt, erklärt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund. Tiger wiederum seien oft, entgegen ihres natürlichen Verhaltens, in ihrer Bewegung stark eingeschränkt. Den Ländern zufolge führt das Leiden der Tiere in Zirkussen zudem vermehrt zu Zwischenfällen wie dem in Baden-Württemberg im vergangenen Sommer, als die Elefantenkuh "Baby" aus einem Zirkus ausriss und einen Spaziergänger tötete.

Auch die Überwachung der Tierhaltung klappt aus Sicht von Tierschützern nicht. Zwar gäben Zirkusleitlinien vor, wie jedes Tier zu behandeln sei, sagt Schmitz. Diese Leitlinien seien aber nicht rechtlich bindend. Bei 895 Kontrollen von Veterinärämtern wurden nach einer Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion (von 2014) im Jahr 2011 bei der Tierhaltung in Zirkussen 409 Verstöße festgestellt. Zu selten kommt es aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes zu Konsequenzen - wie vergangene Woche, als in Bayern der Braunbär Ben, einer der letzten Zirkusbären Deutschlands, beschlagnahmt wurde.

Mit bunten Tierkostümen protestierten Tierschutzorganisationen am Freitag vor dem Bundestag. Sie forderten die Regierung auf, den Wunsch der Länder nicht zu ignorieren. Doch ob der Entschließungsantrag in der Bundesregierung auf Gehör trifft, ist fraglich. Bereits 2003 und 2011 gab es ähnliche Vorstöße.

Ein Känguru springt bei einer im Zirkus über ein Hindernis.
Ein Känguru springt bei einer im Zirkus über ein Hindernis.

© dpa

Das Landwirtschaftsministerium sieht seine Hände aber gebunden: Ein Verbot sei nach dem Tierschutzgesetz nur dann möglich, wenn die Tiere an wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Schäden oder erheblichem Leiden gehalten oder transportiert werden könnten, sagte eine Sprecherin. Bislang hätten die Länder dem Ministerium keine neuen Erkenntnisse übermittelt. "Der Einführung eines solchen Verbots sind verfassungsrechtlich hohe Hürden gesetzt."

Die Hürden, von denen die Rede ist, sind Eingriffe vor allem in die Berufsfreiheit. Ein Tierlehrer, der auf Elefanten spezialisiert sei, könne nicht plötzlich ein anderes Tier trainieren, erklärt Frank Keller vom Berufsverband der Tierlehrer. Er könne auch nicht einfach in einem Zoo arbeiten.

Für viele Betriebe seien die Tiere überlebenswichtig, sagen die Circusfreunde

Ein Verbot wäre aus Sicht der Gesellschaft der Circusfreunde, der rund 2000 Mitglieder aus der Zirkus-Szene angehören, zudem völlig überflüssig. Viele Zirkusse gingen inzwischen längst von sich aus über die Anforderungen der Leitlinien weit hinaus, sagt Präsident Helmut Grosscurth. Und für viele Betriebe seien die Tiere überlebenswichtig: "Ein Verbot bestimmter Tierarten im Zirkus würde die Existenz zahlreicher Zirkusunternehmen infrage stellen."

Außerdem: Wildtiere seien nicht mehr "wild", sagt Keller. Die meisten seien in menschlicher Obhut geboren und hätten andere Anforderungen als ihre wilden Artgenossen. Dem stimmt Tierarzt Jörg Pfeiffer zum Teil zu. Er arbeitet für ein Veterinäramt, das unter anderem Zirkusse kontrolliert. "Wenn man Funktionen ersetzt, braucht das Wildtier nicht all das, was es in der wilden Freibahn macht." Affen und Bären kann man aus seiner Sicht nicht artgerecht halten, auch die Haltung von Elefanten sieht er kritisch. Bei Löwen dagegen wäre das unter bestimmten Umständen möglich.

Voraussetzung aber sei, dass der Zirkus Sachkunde hat, sagt Pfeiffer. "Hier hapert es." Einige Zirkusbetriebe seien auf dem Stand von vor 20 Jahren, und es gebe nur wenige Fortbildungsmöglichkeiten für die Tierlehrer. Deswegen fordert Pfeiffer Kurse, die eigens für Zirkusse entwickelt werden. Aber: "Ein Verbot für Wildtiere jeglicher Art halte ich nicht für gerechtfertigt", sagt Pfeiffer. (dpa)

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