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Panorama: Asien bebt

Erdstöße verwüsten Teile Pakistans und den Norden Indiens. Es soll Tausende Todesopfer geben

Der alte Mann mit dem grauen Bart hat Tränen in den Augen, die Hände hält er geöffnet gen Himmel. Fassungslos starrt er auf den Trümmerhaufen, der vor kurzem noch ein Hochhaus mitten in Pakistans Hauptstadt Islamabad war. Der Apartementkomplex ist eingestürzt wie ein Kartenhaus. Retter versuchen, vorsichtig Schutt und Zementplatten zu räumen. Immer wieder horchen sie nach Schreien, um Überlebende ausfindig zu machen. Davor haben sich Nachbarn, Freunde, Verwandte versammelt. Manche beten, andere weinen. Die Gesichter erzählen von Schock, von Leid und Entsetzen.

Das pakistanische und indische Fernsehen zeigte am Samstag ununterbrochen die Bilder der Verzweiflung und der Zerstörung. In der pakistanischen Hauptstadt waren die Kameraleute der Fernsehstationen nicht weit, über die anderen Gebiete weiß noch nicht einmal die Armee Bescheid, die noch dabei ist, in die verwüsteten Regionen vorzudringen.

Sabahat Ahmed, ein Anwohner der beiden Hochhäuser in Islamabad, hatte Glück, er kam unverletzt davon. „Das Beben hat mich wachgerüttelt. Ich sah Menschen die Treppen runterrennen. Als das zweite Beben kam, begann das Gebäude bereits einzustürzen“, erzählt er. „Viele Menschen waren in Panik und viele wurden unter den Trümmern begraben.“ Mit bloßen Händen versuchten Nachbarn zunächst, nach Überlebenden zu graben. Später eilten Polizei und Armee mit Kränen zur Hilfe. „Zunächst konnten wir wegen des ganzen Staubs nichts sehen”, erzählt ein Helfer der BBC. „Wir mussten einem Mann die Beine abschneiden, um ihn unter den Trümmern herausziehen zu können.“ Quer über den südasiatischen Kontinent hat das Erdbeben der Stärke 7,6 am Samstagmorgen Städte und Dörfer erschüttert, vermutlich Tausende Todesopfer gefordert und Millionen Menschen in Panik versetzt.

Ganze Dörfer wurden verwüstet oder unter Erdrutschen verschüttet, überall rannten Menschen verängstigt auf die Straßen. Bis zu Bangladeschs Hauptstadt Dhaka – über 2100 Kilometer entfernt vom Zentrum des Bebens – drangen die Stöße. Auch in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi wackelten Betten und Schränke.

Mit am schlimmsten betroffen ist die Bergregion Kaschmir, die zwischen Indien und Pakistan durch eine militarisierte Kontrolllinie geteilt ist. Dort, etwa 95 Kilometer nordöstlich von Islamabad, lag das Zentrum des Bebens. Allein im indischen Teil Kaschmirs kamen über 200 Menschen um. Besonders schlimm war die Stadt Uri betroffen, wo es nach offiziellen Angaben 104 Tote gab. Überlebende berichteten allerdings, die Zahl der Toten sei erheblich höher.

Nach Angaben indischer Agenturen verwehrte die Armee Journalisten den Zutritt. Auch im pakistanischen Kaschmir wurden viele Tote und schwere Zerstörungen befürchtet. Verlässliche Zahlen zu den Opfern gab es zunächst nicht. Wichtige Straßen waren durch Erdrutsche abgeschnitten, Telefonleitungen gekappt und das Handy-Netz überlastet. Militärs, die mit Hubschraubern über das Erdbebengebiet flogen, sprachen von Hunderten von eingestürzten Häusern in den Dörfern nördlich von Islamabad. Indische Nachrichtensender berichteten den ganzen Tag über die Naturkatastrophe und auch ausführlich über die Lage im schlimmer betroffenen Pakistan. Obwohl die beiden Bruderländer wegen Kaschmir seit Jahrzehnten verfeindet sind, haben die Menschen in Momenten des Leids immer wieder zusammengestanden.

Spendenkonten (Stichwort „Erdbeben Pakistan“): Diakonie : Konto 502 707, Postbank Stuttgart, BLZ 600 100 70.

Caritas : Konto 202, Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, BLZ 660 205 00.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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