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Panorama: Atom-U-Boot in Not: Der Psychologe Christian Lüdke spricht im Interview über eingeschlossene Menschen

Christian Lüdke leitet am Deutschen Institut für Psychotraumatologie die Abteilung für Notfallpsychologie und Akut-Intervention, wo Lüdke Angehörige von Opfern des Concorde-Absturzes oder Opfer des Bombenanschlags in Düsseldorf behandelt.Aus ärztlicher Sicht: Was bedeutet es, eingeschlossen zu sein, nicht hinauszukönnen?

Christian Lüdke leitet am Deutschen Institut für Psychotraumatologie die Abteilung für Notfallpsychologie und Akut-Intervention, wo Lüdke Angehörige von Opfern des Concorde-Absturzes oder Opfer des Bombenanschlags in Düsseldorf behandelt.

Aus ärztlicher Sicht: Was bedeutet es, eingeschlossen zu sein, nicht hinauszukönnen?

Es bedeutet für die Menschen einen erheblichen Kontrollverlust, Gefühle von Hilflosigkeit und potenzieller Bedrohung, weil sie mit dem Tod konfrontiert sind. Das führt zur massiven Erschütterung des Selbstbildes und auch des Weltbildes.

Wie reagieren Körper und Geist?

Es kommt sowohl zu körperlichen als auch zu seelischen Veränderungen, vergleichbar mit einer Schockreaktion. Wir sprechen hier von emotionaler Taubheit. Der Fachbegriff dafür ist Dissoziation, der Mensch ist unempfindlich gegenüber den eigenen Gefühlen. Der Körper setzt sozusagen den Autopiloten in Gang, aktiviert die lebenswichtigen Funktionen. Normalerweise gibt es zwei Mechanismen: Kampf oder Flucht. Beide sind hier nicht möglich, deshalb sprechen wir von einem eingefrorenen Zustand oder einer unterbrochenen Handlung. Der Mensch gleicht körperlich wie seelisch einem Eisblock, er zieht sich in seine Innenwelt zurück. Das ist eine Schutzfunktion. Menschen in dieser Situation verlieren auch die Wahrnehmung für die Zeit.

Den Matrosen geht vermutlich der Sauerstoff aus, und es gibt kaum Wasser.

Wenn Nahrungs- und Sauerstoffmangel hinzukommen, reagiert der Körper mit Panikattacken und Angststörungen. Man sieht die Ausweglosigkeit, die Mittel werden knapp. Das ist wie ein Brennglas, was alles noch schlimmer aussehen lässt.

Können besonders gut trainierte Menschen besser mit solchen Situationen umgehen, haben Sie größere Chancen, zu überleben?

Sie haben in gewisser Weise eine höhere Chance, weil sie durch mentale Vorbereitung eine höhere Belastbarkeit haben. Aber eine solche Ernstsituation kann man nicht trainieren, das ist nicht planbar. Grundsätzlich haben gut trainierte Leute zwar eine größere Ausdauer in solchen Situationen, sie sind körperlich stärker, aber das schützt sie nicht vor den seelischen Schäden.

Wir wissen nicht, ob die Matrosen überleben. Wenn ja, welche Folgen sind zu erwarten?

Wenn sie überleben, was ich sehr hoffe, unterscheidet man drei verschiedene Typen: Zum einen die "Hochrisiko-Opfer". Ihnen geht es sehr schlecht, sie leiden unter Schlafstörungen, Gedankenschleifen, Konzentrationsstörungen. Zum zweiten die "Wechsler": Ihnen geht es einmal gut, dann wieder schlechter. Wenn sie in der Folgezeit nach einigen Wochen keine negativen Erfahrungen machen, dann erholen sie sich gut. Zum dritten die "Selbstheiler": Das sind Menschen, die alleine klarkommen. Die Gefahr ist, dass nicht erkannt wird, wer zu welcher Gruppe gehört. Das ist wichtig, denn dies entscheidet sich nach sechs Wochen. Wenn Menschen zur ersten Kategorie gehören, kann es sein, dass erst nach Jahren oder Jahrzehnten Störungen auftreten. Es kann zu schleichenden Veränderungen kommen, die Leute werden depressiv oder agressiv, oft greifen sie zum Alkohol, weil sie meinen, er hilft ihnen gegen ihre Traumata.

Aus ärztlicher Sicht: Was bedeutet es[einges]

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