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Attacke in Neuss: Erstochene Jobcenter-Mitarbeiterin war offenbar Zufallsopfer

Der mutmaßlicher Täter im Jobcenter Neuss wollte einen anderen Sachbearbeiter sprechen. Die Staatsanwaltschaft will Haftbefehl wegen Mordes beantragen. Unterdessen gibt der geständige Verdächtige ein kurioses Motiv an.

Bei der Suche nach dem Motiv für die tödliche Messerattacke auf eine Arbeitsvermittlerin in Neuss ist die Polizei einen Schritt weiter gekommen. Der 52-jährige Langzeitarbeitslose habe die Tat sofort gestanden, berichteten Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag in Neuss. Als Motiv habe er Wut über den vermeintlichen Missbrauch seiner persönlichen Daten angegeben. Ein Fernsehbeitrag habe seinen Argwohn geweckt. Die am Mittwoch getötete Mitarbeiterin eines Jobcenters ist dabei offenbar ein Zufallsopfer, wie der Leiter der Mordkommission, Guido Adler, am Donnerstag in Neuss sagte.

Der mutmaßliche Täter wollte nach eigener Aussage einen anderen Mitarbeiter des Jobcenters aufsuchen, um mit diesem über eine Datenschutzerklärung zu sprechen. Den tatverdächtigen Ahmed S. habe die Angst umgetrieben, dass das Jobcenter seine Daten weitergeben könnte und „mit seinen Daten jemand anderes Geld verdient“, berichtete Adler.

Weil der betreffende Mitarbeiter am Tattag nicht im Hause war, suchte Ahmed S. das spätere Opfer auf. Die 32-jährige Irene N. hatte den Mann Wochen zuvor für ein Projekt zur Wiedereingliederung von über 50-Jährigen in den Arbeitsmarkt an ihren Kollegen verwiesen.

Der Mann soll nun in der Untersuchungshaft auf seinen Geisteszustand untersucht werden. Er habe eine Tötungsabsicht zwar bestritten, die Tatspuren sprächen aber eine andere Sprache, sagte Staatsanwältin Brigitte Zur

Eine Leistungskürzung oder ähnliche gravierende Einschnitte hätten dem Mann nicht gedroht. Er habe in einem Projekt fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden sollen. Ein Mitarbeiter eines kooperierenden Instituts habe dazu einen Lebenslauf mit dem 52-Jährigen erstellt, der früher Landwirt gewesen sein soll. Der Mann ist geschieden und nicht vorbestraft.

Nach der Bluttat ist eine Sicherheitsdiskussion entbrannt. Die Sicherheitsmaßnahmen in den Jobcentern kämen auf den Prüfstand, sagte ein Sprecher der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit am Donnerstag in Düsseldorf. „Man muss alles überdenken.“ Das Büro der 32-jährigen Mitarbeiterin hatte nach Angaben der Jobcenter-Leiterin keine Zwischentür, die eine Flucht oder schnelle Hilfe aus dem Nachbarbüro ermöglicht hätte. Auch gab es in dem Gebäude keinen privaten Sicherheitsdienst.

Das Opfer hatte noch am Tag vor ihrem Tod an einem Deeskalationstraining teilgenommen. Den Notfallknopf an ihrer Tastatur hatte sie nicht ausgelöst. Möglicherweise kam der Messerangriff so rasch, dass es der Frau nicht mehr möglich war, Alarm auszulösen.

Bilder: Mann ersticht Jobcenter-Mitarbeiterin

„Man kann keine Beratung hinter Panzerglas führen“, hieß es bei der Regionaldirektion NRW. Aber über Maßnahmen wie etwa Metallschleusen an den Eingängen wie an den Gerichten in NRW werde man nun diskutieren müssen. „Denkblockaden gibt es da nicht mehr.“ Die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit plant nach der tödlichen Attacke im Neusser Jobcenter vorerst keine unmittelbaren Konsequenzen. „Wir müssen immer über die Sicherheit in unseren Dienststellen nachdenken“, sagte das für Hartz IV zuständige Vorstandsmitglied Heinrich Alt am Donnerstag in Nürnberg. „Ich bin aber auch der Meinung: Verhindern lässt sich sowas nicht, auch wenn man Sicherheitsvorkehrungen über das jetzt schon vorhandene Maß hinaus trifft“, fügte Alt hinzu.

Die Gewerkschaft Verdi forderte eine Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen in allen Jobcentern. Kommunen und Bundesagentur für Arbeit müssten „unverzüglich die Sicherheitskonzepte der Jobcenter auf den Prüfstand stellen, damit sich solch ein schrecklicher Vorfall wie in Neuss nicht wiederholen kann„, forderte Isolde Kunkel-Weber vom Verdi-Bundesvorstand in Berlin. (dapd/dpa)

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