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Panorama: Auf dem falschen Fuß

Beim ersten Auftritt vor Gericht erklärt sich Michael Jackson für unschuldig – und wird für seine Verspätung gerügt

Es könnte auch der Auftritt vor einem großen Konzert sein. Oder einer Preisverleihung. Michael Jackson steigt aus einer schwarzen Limousine, ein schwarzer Schirm wird gereicht, um den Mann vor welchen Strahlen auch immer zu schützen. Er schlendert langsam an den Polizeiabsperrungen entlang, hinter denen die Fans rufen und kreischen und singen. Die Medienleute rangeln um das beste Bild. Doch diesmal geht es nicht darum, gleich die Massen auf der Bühne zu begeistern, dieses Mal geht es für Michael Jackson um das nackte Leben. Mehr als 20 Jahre Gefängnis drohen ihm in dem Prozess wegen Kindesmissbrauchs. Am Freitag wurde in der kalifornischen Kleinstadt Santa Maria die Anklageschrift verlesen.

Und tatsächlich scheint sich manchmal so etwas wie Unsicherheit auf dem längst zur Maske operierten Gesicht des 45-Jährigen widerzuspiegeln. Wie willenlos folgt er seinem Anwalt Mark Geragos durch den Metall-Detektor, durch den alle müssen, die das Gericht in Santa Maria betreten. Er wird zurückgeschickt, muss noch einmal hindurch, ehe dann ein Sicherheitsangestellter ihn doch per Hand mit einem weiteren Detektor abtastet. Jackson wird zappelig, fängt sich aber schnell wieder und begrüßt den nächsten Sicherheitsmann mit Handschlag. Dann verschwindet er in Begleitung seiner Verteidiger, seiner Eltern und seiner Geschwister Jermaine und Janet hinter der hölzernen Schwingtür, die in den Gerichtssaal führt.

Mehr bekommt der TV-Zuschauer dann lange Zeit nicht zu sehen. Die Bilder laufen wie in einer Endlosschleife durch die Nachrichtenshows. Ein Richter hatte die Anwesenheit von Fernsehkameras und Fotografen im Saal verboten, der Einspruch der Verteidiger war ungehört geblieben. Die Fans stehen draußen vor der Tür in der kalifornischen Morgensonne, halten ihre Schilder in die Kameras. Nach Informationen des US-Nachrichtensenders CNN soll die Jackson-Familie für die Busse gezahlt haben, die Hunderte Fans nach Santa Maria brachten. Sie trafen sich schon früh morgens auf Parkplätzen und Busbahnhöfen der umliegenden Städte Los Angeles und San Diego zu einer „Karawane der Liebe". Einige haben einen noch weiteren Weg zurückgelegt, sie kamen aus Deutschland, Frankreich, Spanien, England, Polen und Japan. Es kursieren Zettel, auf denen zu einem Fest eingeladen wird: „Im Geiste der Liebe und der Zusammengehörigkeit möchte Michael Jackson seine Fans und Unterstützer auf seine Neverland Ranch einladen", heißt es da.

Drinnen geht es weniger lustig zu. Es ist 8.51 Uhr, als Jackson endlich vor Richter Rodney S. Melville erscheint, 21 Minuten zu spät. Der hat keine Scheu, den prominenten Angeklagten mit scharfen Worten zurechtzuweisen: „Mr. Jackson, Sie haben hier auf dem falschen Fuß begonnen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass ich mir das nicht gefallen lassen werde. Das ist eine Beleidigung des Gerichts." Ein schlechter Start auch für Jacksons Verteidigung, die Melville eigentlich davon überzeugen will, den Prozess in eine städtischere Gegend näher an Los Angeles zu verlegen. In Santa Maria beträgt der Anteil der afro-amerikanischen Bevölkerung nur rund zwei Prozent, das würde sich auch in der Zusammensetzung der Jury widerspiegeln. Je mehr Schwarze darunter jedoch sind, so spekuliert Jackson Verteidigung, desto größer sind die Chancen ihres Mandanten, in dem Prozess mit heiler Haut davonzukommen.

Zunächst jedoch sehen die Verfahrensregeln vor, dass Jackson erläutert wird, was gegen ihn vorliegt. Missbrauch eines Jungen unter 14 Jahren in sieben Fällen. In zwei Fällen soll der Popstar seinen minderjährigen Besucher unter Alkoholeinfluss gesetzt haben. Als der Richter nachhakt, ob er verstanden habe, was gegen ihn vorliegt, nickt Jackson. Auf die Frage, wie er plädiere, sagt er: „Nicht schuldig." Bevor darüber tatsächlich eine Jury befindet, kann sich das komplizierte Verfahren noch Monate hinziehen. Quälend für Jackson, der nur gegen eine Kaution von drei Millionen Dollar auf freiem Fuß ist, aber auch für das mutmaßliche Opfer.

Der mittlerweile 14 Jahre alte Junge, so berichtet der Mann, der ihn mit Jackson zusammenbrachte, leide an Krebs und benötige dringend eine Nierentransplantation. Sonst könne es sein, dass er das Ende des Verfahrens nicht mehr erlebe. Am 13. Februar soll es nun weitergehen. Und Staatsanwalt Tom Sneddon, der den Popstar schon vor zehn Jahren wegen desselben Vergehens hinter Gitter bringen wollte, fragte scheinheilig: „Um 8:30 Uhr, Euer Ehren?". Ja, halb neun. Wenn Jackson schlau ist, wird er das nächste Mal pünktlich erscheinen.

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