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Panorama: Auf dem kurzen Weg durch den Norden

Nach nur elf Jahren Bauzeit verbindet die Autobahn A 20 jetzt Osten und Westen

Kurz nach ihrem Amtsantritt hat Angela Merkel die Meriten für etwas geerntet, das ihr Parteifreund Günther Krause kurz vor seinem Amtsende als Verkehrsminister säte. Gestern eröffnete die Bundeskanzlerin auf der Trebeltalbrücke mit Blasmusik und Trachtengruppe das letzte Teilstück der Ostsee-Autobahn. In rekordverdächtigen elf Jahren Bauzeit ist das verkehrspolitische Großprojekt zwischen die seichten Hügel Mecklenburgs und ins flache Vorpommern gelegt worden. Die 323 Kilometer lange Piste, der längste zusammenhängende Autobahnneubau seit 1945, verbindet nun die Ballungsräume Hamburg und Stettin.

Merkel sagte ob des schnellen Baus, die Autobahn sei ein Beispiel dafür, was der Westen mit seinen langen Planungszeiten vom Osten lernen könne. Den Landespolitikern in Mecklenburg-Vorpommern dient die A 20 als Hoffnungsträger für den wirtschaftlichen Aufschwung: Von der „Lebensader“ für das Land sprechen sie parteiübergreifend.

Mit einem Trick löste Krause, der wie Merkel im Nordosten der Republik politisch beheimatet war, im Dezember 1992 das öffentlich gegebene Versprechen zum Baubeginn der A 20 ein. Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Autobahn selbst noch fehlten, wurde symbolträchtig bei Wismar mit einer Brücke begonnen, die die Fahrbahn quert. Dank des von „Sause-Krause“ initiierten Verkehrswegebeschleunigungsgesetzes und verkürzter Planfeststellungsverfahren wuchs die Trasse nach dem eigentlichen Baubeginn 1994 dann sehr rasch. Besonders vor Landtags- und Bundestagswahlen setzten Politiker gern erste Spatenstiche für die einzelnen Teilstücke – und gaben sie später auch stückchenweise frei.

Am Ende waren knapp 1,9 Milliarden Euro verbaut. Darin sind die Kosten für 105 Brücken, vier Kreuze und 35 Anschlussstellen sowie zahlreiche Wildbrücken enthalten. Schwerins Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) hofft, dass besonders die Touristenregionen entlang der Ostseeküste von der A 20 profitieren werden. Die verbesserte Anbindung an die Ballungsräume Hamburg und Stettin soll aber auch die Gewerbegebiete entlang der Autobahn füllen und beleben helfen. „Wat möt, dat möt“, hatte ein Anrainer zu Baubeginn über die Autobahn vor seiner Gartentür gesagt. Gegner hatten kaum eine Chance. Sie hatten kritisiert, dass die Autobahn vor allem den Transit von Hamburg nach Polen beschleunigen würde, dem Land selbst aber kaum etwas bringen werde. Außerdem sei kaum so viel Verkehr zu erwarten, um eine Autobahn zu rechtfertigen.

Die Mecklenburger und Vorpommern, die oft stundenlang hinter Lastwagen und Treckern auf den Landstraßen herzuckelten, sahen das anders. Umweltschützer konnten durch Proteste und Klagen den Bau der A 20 im Warkenitztal bei Lübeck sowie im Peenetal bei Jarmen nur kurzzeitig verzögern.

Den meisten Ärger aber gab es im vergangenen Winter: Zwischen Schönberg und der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein war die Fahrbahndecke in so genanntem „Besenstrich quer“ ausgeführt worden. Sie seien mit „Brüllbeton“ statt mit „Flüsterasphalt“ bedacht worden, klagten die Anwohner in den nahen Dörfern. Die Fahrbahn wird inzwischen bereits saniert.

Einen „herzlichen Dank“ sagte Bundeskanzlerin Merkel gestern ihrem einstigen Kabinettskollegen Günther Krause. 1993 hatte der wegen verschiedener Skandale den Hut nehmen müssen. Gestern stand er mit breitkrempiger Kopfbedeckung unter den Gästen und sagte: „Das Leben ist schön.“

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