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Panorama: Aufgepumpte Puppen

In Venezuela kommt der Silikontrend ins Schaufenster. Auch in Deutschland werden Plastikfiguren dem Schönheitsideal angepasst.

Berlin - Gabriela Isler ist die schönste Frau des Universums. So lautet zumindest der Titel, den sie kürzlich bei der Wahl zur „Miss Universum“ gewonnen hat. Doch kaum setzte sich Isler die Krone auf, wurde spekuliert, was alles echt an ihr ist – und was nicht. Isler kommt aus Venezuela, dem Land der „Missen“, dem Plastikland: Wer es sich leisten kann, legt sich hier unters Messer, wer es sich nicht leisten kann, auch. Für Schönheitsoperationen werden hier Kredite aufgenommen, Silikonbrüste gelten als Statussymbol – und nach den Frauen werden nun auch die Schaufensterpuppen aufgepumpt.

Weltweit spiegeln Figuren in den Schaufenstern die modischen Trends des jeweiligen Landes wider. Gerade weil Onlineshopping heute immer populärer wird, müssen sie umso mehr dazu beitragen, Käufer in die Läden zu locken. Das funktioniert aber nur, wenn die Figuren so attraktiv aussehen, wie es die Menschen gerne wären. In Venezuela sind deshalb immer mehr Büsten mit Dolly-Buster-Ausmaß zu sehen, wie beispielsweise im Laden von Ingrid Villamizar. „Als wir noch die normalen Puppen hatten, haben wir viel weniger verkauft“, erzählt die Verkäuferin in einem Video, das die „New York Times“ über die Folgen des Schönheitswahns in Venezuela gedreht hat. Mit den neuen Puppen, „ziehen die Verkäufe wieder an“, sagt Villamizar, während sie einer Büste einen pinkfarbenen Pullover überzieht.

Auch wenn sich viele Frauen in Venezuela für Operationen verschulden, können und wollen sich nicht alle Schönheitsoperationen leisten. Die in ihren Augen perfekte Puppe aber soll ihnen deshalb offensichtlich suggerieren: Wenn du dieses Kleid kaufst, kaufst du ein Stückchen Schönheit mit.

So ähnlich erklärt es auch Reina Parada in dem Videobeitrag. Sie arbeitet in einem kleinen Handwerksbetrieb in Venezuela, in dem die Puppen unters Messer gelegt werden. Ihr Chef Elizier Álvarez dreht eine Puppe, wie sie in deutschen Schaufenstern zu sehen ist, kritisch hin und her, blickt auf ihren Po und moniert, dass die ja viel zu dünn seien. Also modelliert Álvarez den Torso mit einer Kunststoffmasse neu, bringt sie mit vergrößerten Brüsten und Po auf venezolanisches Normalmaß.

„Solche Figuren bei Puppen würden bei uns in Deutschland als vulgär empfunden“, sagt Josef Moch. Er ist Geschäftsführer des gleichnamigen Kölner Familienunternehmens, seit 1907 werden hier Schaufenster-Mannequins hergestellt, rund 6000 Figuren pro Jahr. In China entstehen die Rohlinge, in Deutschland erhalten sie Kopf, Gesicht und Make-up. Doch auch hierzulande sind die Busen der Puppen zuletzt vergrößert worden. „In der Vergangenheit war eher A- und B-Körbchen Standard, heute ist es das C-Körbchen.“ Das habe auch mit dem Trend der Push-up-BHs zu tun.

Wie in Venezuela gilt auch in Deutschland: „Die Schaufensterpuppe spiegelt den aktuellen Schönheitstrend der Gesellschaft wider, im besten Fall ist sie ihm sogar ein Stück weit voraus." Dabei spielt auch das jeweilige Image der Marke, bei der die Puppen im Schaufenster stehen, eine Rolle. In Luxusläden dürften die Figuren beispielsweise leicht arrogant wirken, in Jeans-Geschäften sei ein junger Look gefragt. Entsprechend werden bei Moch die Figuren ausgearbeitet.

Insgesamt sieht Moch einen Trend hin zu sportlicheren Figuren. „In den 50er Jahren war die Wespentaille angesagt, heute gehen viele ins Fitnessstudio, da dürfen bei den Frauenfiguren auch Bauchmuskeln und trainierte Arme zu sehen sein.“

Allerdings: Zu echt dürften die Puppen auch nicht wirken. „Schließlich sollen sie so aussehen, wie die Menschen gerne aussehen würden und sie so an neuer Kleidung Gefallen finden zu lassen“, sagt er. Deshalb seien die Maße der Figuren immer extremer, die Puppen haben so lange Beine, schwanengleiche Hälse und feine Näschen, wie sie in der Natur wohl niemals zu finden sein werden.

Wenn sich aber große Modeketten und Marken in Werbekampagnen gegen Magerwahn und dürre Models aussprechen, findet Figurenhersteller Moch das widersprüchlich. „Mit den superschlanken Puppen bewerben sie doch in ihren Schaufenstern das, was sie verdammen.“

Auch in Venezuela könnten die Puppen den Trend der Schönheits-OPs womöglich verstärken – mit gefährlichen Folgen. Immer wieder wird über Todesfälle berichtet, weil Frauen sich, um ein wenig Geld zu sparen, in Kliniken ohne Lizenz behandeln lassen, heißt es in der „New York Times“. Und dass sich dieser Silikontrend bald ändert, ist nicht abzusehen. Figurenhersteller Álvarez habe wegen der großen Nachfrage gerade erst eine neue Werkstatt für aufgepumpte Puppen eröffnet, so das Blatt.

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