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Panorama: Aus der Asche ein Phönix

Nach einer Brandkatastrophe erstrahlt in Venedig das alte Theater La Fenice in neuem Glanz – nicht zum ersten Mal

Jetzt spielen sie: Mit Beethovens Orchesterstück „Die Weihe des Hauses“ wird heute unter der Leitung von Riccardo Muti das Gran Teatro la Fenice, Venedigs weltberühmtes Opernhaus, am alten Ort wieder eingeweiht werden. Es war am Abend des 29. Januar 1996 bis auf die Außenmauern abgebrannt, nachdem Handwerker ein Feuer gelegt hatten, um einer Konventionalstrafe wegen der Überziehung von Fristen bei Restaurierungsarbeiten zu entgehen. Zur Feier des Tages erwartet man viel Prominenz in der Lagunenstadt – an der Spitze den italienischen Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi und den Präsidenten der EU-Kommission Romano Prodi. Neben Beethoven stehen Strawinskij, Caldara und Wagner auf dem Programm – eine bunte Mischung durch die Musikgeschichte der Fenice, die 1792 an Stelle einer abgebrannten Bühne errichtet worden war. Man nannte sie deshalb nach dem mythologischen Vogel Phoenix, der der Asche entsteigen konnte – das Sinnbild des durch den Tod sich erneuernden Lebens. Auf das heutige Konzert folgt eine Programmwoche, bei der einige der besten Symphonieorchester der Welt in Venedig zu Gast sein werden (siehe Kasten).

Damit geht nach fast acht Jahren eine höchst verwickelte Baugeschichte zu Ende, die man in Venedig möglichst schnell vergessen möchte. Unklare Auschreibungsbestimmungen haben zusammen mit bürokratischen Hindernissen und Firmenpleiten den Wiederaufbau um mindestens vier Jahre verzögert und die Kosten von ursprünglich 45 Millionen Euro auf heute 80 Millionen Euro ansteigen lassen. Dazu kamen die extremen logistischen Probleme in einer Stadt, in der jeder Stahlträger mit Booten durch kleine Kanäle herangeschafft werden muss. Der Beton wurde zum Beispiel von einer Arbeitsinsel auf dem Canal Grande rund 800 Meter weiter zur Baustelle gepumpt. Allein das Auf- und Umstellen eines Krans stellte bei den beengten Platzverhältnissen von Venedig höchste Anforderung an die Phantasie der Baufirmen.

Doch der Schrecken ist wie weggewischt. An den Wänden der Säle glänzt wieder Goldbelag, und himmelblau leuchtet die Kuppel wie einst über dem Zuschauerraum. In dem ganz aus Lärchenholz errichteten hufeisenförmig von Logen umgebenen Saal scheint Wirklichkeit geworden zu sein, was die Stadtväter gleich nach dem Brand gefordert hatten. Das klassizistische Opernhaus sollte „wie es war und wo es war“ errichtet werden. Der Mailänder Architekt Aldo Rossi hat deshalb in seinem Projekt zum Wiederaufbau teilweise auf alte Pläne aus dem 19. Jahrhundert zurückgegriffen. Anderseits gaben die Auflagen des Denkmalschutzes, die vor allem eine genaue Rekonstruktion aller Außenwände auch bei den Nebengebäuden vorschrieben, weit gehende Möglichkeiten der Veränderungen im Inneren. Aldo Rossi und seine Mitarbeiter, die nach dem Tod des Architekten 1997 das Projekt weiter geführt haben, nutzten diese Möglichkeit mehr, als auf den ersten Blick sichtbar wird. Und selbst der herrliche, mit Stuckarbeiten geschmückte Zuschauersaal und seinen samtbezogenen 990 Plätzen, den der neapolitanische Bühnenbildner Mauro Carosi nach alten Abbildungen entworfen hat, ist eine Art Interpretation des alten Saales und keine architektonische Fotokopie.

Zum Kanal ist ein alter Nebeneingang ausgebaut worden, so dass das Publikum jetzt auch von der Wasserseite aus Zugang hat. Architekturzitate von der Basilica Palladiana, die diese „Sala Rossi“ zieren, sind nicht nur eine postmoderne Hommage des Mailänder Architekten an den großen Palladio, sondern öffnen die Fenice gleichsam der „terra ferma“, dem venezianischen Festland. Das alte Theater, dass jetzt mit Beethoven wieder eingeweiht wird, ist also zugleich ein neues.

Doch nach der vorweihnachtlichen Programmwoche wird die gerade eröffnete Fenice wieder geschlossen. Und auf die erste Oper muss man nach weiteren Monaten gründlicher technischer Prüfungen bis zur folgenden Spielzeiteröffnung im November 2004 warten, wenn unter Lorin Maazel die „Traviata“ aufgeführt werden soll. Aber erst einmal wird gefeiert.

Johannes Baum[Venedig]

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