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Panorama: Aus heiterem Himmel

Der Wirbelsturm in der Hansestadt hat zwei Kranführer getötet. Sie konnten sich nicht rechtzeitig retten

Den Tränen nahe sitzen zwei Bauarbeiter in einem Blechcontainer und klammern sich an ihre Kaffeebecher. „Sie hatten keine Chance“, sagt einer der Männer, die den Tod der beiden Kranführer im Tornado über Hamburg-Harburg hilflos miterleben mussten. „Es kam wie aus heiterem Himmel, ohne Vorwarnung, es hat nur zwei, drei Sekunden gedauert.“

Es war der wärmste Tag des Jahres, und die Hamburger hatten sich gefreut, dass endlich der Frühling kommt. Doch dann verdunkelte sich am Montagabend plötzlich der Himmel. Eine schwarze Wand bewegte sich auf die Stadt zu. Was zunächst wie ein normales Frühlingsgewitter begann, endete für den Süden der Hansestadt in einer Katastrophe. Wie aus dem Nichts fegte der Tornado „Jasmin“ über die Stadt.

In Hamburg-Harburg wurden zwei Menschen getötet. Dort, wo der Tornado wütete, hinterließ er verwüstetes Gebiet. Auf einer Baustelle wurden drei von vier 50 Meter hohen Baukränen umgeknickt. Zwei Kranführer sterben in ihren Kabinen. Ein Dritter kommt mit einem schweren Schock davon. Nach Augenzeugenberichten hatten die beiden Getöteten keine Chance zu entkommen. Der Wirbelsturm sei innerhalb von wenigen Sekunden über eine Bundesstraße und die Baustelle gerast, sagte ein Angestellter einer Autovermietung, der die Kräne „wie in Zeitlupe“ umfallen sah. Ein Kollege der Opfer berichtete, es habe keine Vorwarnung gegeben: „Das kam aus heiterem Himmel.“ Dächer wurden abgedeckt, Stromleitungen zerrissen, Lastwagen umgekippt. In der Nähe des Harburger Hafens wurden wichtige Stromleitungen durch das herumfliegende Aluminiumdach einer Bootswerft beschädigt, darunter auch eine Höchstspannungsleitung. Der so ausgelöste Kurzschluss ließ in 70 000 Haushalten das Licht ausgehen. 300 000 Menschen waren zeitweise ohne Strom, auch das Allgemeine Krankenhaus Harburg musste via Notfallaggregat versorgt werden. Die Wasserversorgung im Hamburger Süden fiel stundenlang aus, da die Pumpen im Wasserwerk bei dem Stromausfall lahm gelegt werden. Die Polizei rief die Bevölkerung auf, zu Hause zu bleiben. Abgedeckte Dächer und entwurzelte Bäume verursachten ein Verkehrschaos, wegen des Stromausfalls funktionierten Ampeln nicht mehr. Auch der Bahnverkehr in Richtung Süden war nach Signalstörungen durch Blitzeinschläge in Stellwerken stundenlang blockiert. Die Stadt rief den Katastrophenalarm aus. Mit Hunderten Helfern waren Technisches Hilfswerk, Feuerwehr und Polizei in der Nacht im Großeinsatz.

Der Tag danach. Augenzeugen berichten von abgedeckten Dächern, umgeknickten Bäumen und abgerissenen Stromleitungen, umgeworfenen Autos. Die Schadensmeldungen summieren sich auf einen Millionenbetrag. „Die Summe wird sich noch dramatisch erhöhen“, ist sich Feuerwehrsprecher Thorsten Grams sicher. Das LKA ermittelt an der Baustelle, an der die beiden Männer umkamen, „wie wir das immer bei tödlichen Arbeitsunfällen machen“, erklärte eine Polizeisprecherin.

Neben dem unmittelbaren Katastropheneinsatz hatte die Polizei in der Unwetternacht auch mit Plünderern zu kämpfen. „Aber durch ordentliche Präsenz haben wir diese Ausfälle im Rahmen gehalten“, sagte die Sprecherin. „Es kam zu neun Einbruchversuchen, drei Tatverdächtige wurden festgenommen.“ Der Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) machte sich ein Bild von der Verwüstung, versprach Hilfe für die Betroffenen: „Der Senat wird 250 000 Euro finanzielle Nothilfe zur Verfügung stellen.“

Eine Suche nach eventuellen Schuldigen gibt es nicht, obwohl es Fragen gibt: Warum gab es keine Vorwarnungen? Wurden Sturmwarnungen nicht ernst genug genommen (Bericht unten)? Thorsten Grams von der Feuerwehr Hamburg will von so etwas nichts hören. „So dramatisch die Todesfälle sind, dennoch hat Hamburg bei einem Ereignis solchen Ausmaßes Glück gehabt, dass nicht noch mehr passiert ist. Derlei Windhosen sind nicht vorhersehbar und somit unvermeidbar. Ich habe so etwas in 13 Jahren Feuerwehrdienst noch nie erlebt.“ mit dpa

Antje Lückingsmeier[Hamburg]

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