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Panorama: Aus Schwarz mach Weiß

Kann Werbung eigentlich noch kruder sein? Die Botschaft des Werbeclips im kenianischen Fernsehen läßt an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig: Gezeigt wird die Hochzeit eines schwarzen Paares, das sich verliebt in die Augen schaut.

Kann Werbung eigentlich noch kruder sein? Die Botschaft des Werbeclips im kenianischen Fernsehen läßt an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig: Gezeigt wird die Hochzeit eines schwarzen Paares, das sich verliebt in die Augen schaut. Während der Bräutigam die Schönheit der Braut preist, betritt eine hellhäutigere Frau den Saal. Alle Männer recken die Hälse nach ihr. "Welch eine Frau, welch ein Teint", schwärmt auch der sichtlich verzückte Bräutigam und beginnt mit der gerade eingetroffenen Schönheit einen heftigen Flirt. Die Werbung endet mit einem Blick auf die allein am Hochzeitstisch zurückgebliebene Braut und dem darüber eingeblendeten Namen eines Hautbleichmittels, das neben einem helleren Teint die ungeteilte Bewunderung der Männerwelt verspricht.

Was in Europa im besten Fall Kopfschütteln auslösen würde, stößt in Afrika auf große Resonanz: Hautbleichmittel sind hier seit langem ein Verkaufsschlager allererster Güte. Viele Frauen benutzen die Cremes und Tinkturen seit Jahren in dem Glauben, durch eine etwas hellere Haut ihre Attraktivität zu steigern und leichter an einen Job oder einen Mann zu kommen. Doch der Traum vom Hellsein fordert seinen Preis: Viele der beliebtesten Mittel enthalten hochgiftige Substanzen wie Quecksilber oder Hydrochinon, die Haut und Organe zerstören können und deshalb in Europa seit langem in Kosmetika verboten sind.

"Bei längerer Verwendung bremsen die Chemikalien die Produktion von Melanin, einem natürlichen Pigment, dass die Haut vor Sonne schützt und gerade in Afrika wegen der starken Lichteinstrahlung besonders wichtig ist", mahnt der Kapstädter Dermatologe Charl de Villiers. "Die Haut wird schwach, Adern treten hervor und paradoxerweise wird die Haut am Ende schwärzer als zuvor und bildet bisweilen harte Knötchen". Die Folge sind oft Organschäden und sogar Hautkrebs.

Obwohl die Mixturen in vielen afrikanischen Ländern inzwischen verboten sind, erfreuen sie sich unter der einheimischen Bevölkerung weiterhin großer Beliebtheit. Vielen schwarzen Frauen sind die Nebenwirkungen vor allem deshalb egal, weil sie gemeinhin erst zwei oder drei Jahre später eintreten. Was für sie zählt, ist das Hier und Jetzt. "Solange die Nachfrage hoch bleibt, wird es auch einen Markt geben", meint ein Vertreter der südafrikanischen Gesundheitsbehörde, die die gefährlichsten Hautbleichmittel inzwischen ausnahmslos verboten hat. Dennoch überschwemmen noch immer gemischte Wunderpasten oder Importe aus Europa den Markt.

Überhaupt erstaunt es, wie leicht die Tinkturen trotz des Verbots zu bekommen sind. Auf den informellen Märkten nahe der Busbahnhöfe oder in den kleinen Spezialläden der Townships werden in den Regalen oft Hunderte von Cremes zwischen drei und fünf Mark zum Verkauf offeriert, die meisten davon aus Europa. So gibt es zum Beispiel die IKB Skin lighter-Creme, die den Aufdruck "extra stark" trägt. Daneben stehen Produkte mit den Namen "Prinzessin" oder "Hell und schön" und sogar eine Marke, auf der das Bild einer weißen Frau prangt. "Wenn Sie diese Creme benutzen, werden Sie schon bald genauso hell wie die darauf abgebildete Dame aussehen", versichert die (schwarze) Verkäuferin ihrer (ebenfalls dunkelhäutigen) Kundin.

Die Vorstellung, dass Hellsein schön ist, gründet in der Kolonialzeit. "Schwarze wurden damals geringschätzig behandelt und betrachteten Weiße als etwas Besseres", sagt Phillipa Musoke, die in einer ugandischen Klinik als Schwester arbeitet. "Viele sind deshalb noch heute überzeugt, nur mit einer helleren Hautfarbe Aufmerksamkeit zu erregen und einen Mann zu finden." Nicht wenige westafrikanische Mütter drücken noch heute die Nase ihrer Babys in der Hoffnung zusammen, dass diese dadurch dünner wird und stärker europäisch aussieht. In einigen Teilen von Nigeria gilt hell gefärbte Haut als Statussymbol. Und in bestimmten Regionen von Tansania verteuert ein nur leichter Teint den Preis der Braut oft ganz beträchtlich.

Die meisten afrikanischen Frauen beginnen wie Annie Lonake schon in der Jugend mit der Benutzung der verhängnisvollen Cremes. Annie verwendete sie zunächst gegen Aknepickel im Gesicht. Als sie nach einigen Wochen bemerkte, dass die Stellen tatsächlich verschwanden, schmierte sie sich die Creme jede Nacht aufs Gesicht. Ihre Haut wurde anfangs auch wirklich heller, doch immer wenn sie länger in der Sonne war, begann die Haut wenig später in langen Streifen abzublättern. Heute übersäen dicke rote Wülste und Blasen das Gesicht und haben Annie zu einer Aussätzigen gemacht. Zum Glück gibt es aber auch Fortschritte. Verwendeten noch vor zehn Jahren fast 40 Prozent aller schwarzen Frauen am Kap regelmäßig Hautbleichmittel, ist ihr Anteil nach Angaben des südafrikanischen Dermatologenverbands mittlerweile stark gefallen. Viele steigen verstärkt auf Naturprodukte um, heißt es. Auch die Hersteller haben erkannt, dass Sicherheitsfragen für die Verbraucher immer wichtiger werden.

Immer stärker setzt sich zudem unter schwarzen Frauen wie Cynthia Vongai die Vorstellung durch, dass sie sich nicht an weißen Idealbildern orientieren müssen. Zwar glaubt das schwarze Topmodell, in der Vergangenheit ein paar größere Aufträge verloren zu haben, weil die Kunden hellhäutigere Modelle wollten. An ihrem Selbstbewußtsein hat dies aber nicht genagt. Denn Cynthia weiß, dass sie das Zeug zum Modell hat. "Ich habe mir gesagt: Du bist schwarz und wirst es immer bleiben, das ist nun einmal so. Und es stimmt: Black is beautiful."

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