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© dpa

Ausgefallene ICE-Flotte: Bund soll Ersatzzüge bereitstellen

Zehntausende Fernreisende müssen sich ab Samstag auf erhebliche Einschränkungen im bundesweiten ICE-Netz einstellen. Die Deutsche Bahn will einen Teil ihrer ICE-Flotte vorübergehend aus dem Verkehr ziehen - das sind fast 70 Züge. Ersatzzüge gibt es wenig, der Fahrgastverband "Pro Bahn" fordert den Bund zum Handeln auf.

Wegen der ungeklärten Sicherheit der Achsen zieht die Bahn fast alle ihrer 67 Hochgeschwindigkeitszüge vom Typ ICE T mit Neigetechnik bis auf weiteres aus dem Verkehr. Dadurch kommt es auf mehreren wichtigen ICE-Linien in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung zu Einschränkungen. Wie die Bahn auf ihrer Internetseite ankündigte, fahren Ersatzzüge mit weniger Sitzplätzen. Zudem sei verbreitet mit Verspätungen bis 30 Minuten zu rechnen. Zur Begründung hatte die Bahn darauf verwiesen, dass die ICE-Bauer Siemens, Alstom und Bombardier keine klaren Garantien zum sicheren Betrieb der Züge gegeben hätten.

Der Fahrgastverband "Pro Bahn" sieht als Konsequenz aus dem Großausfall die Bundesregierung in der Pflicht. "Der Bund muss mindestens 50 Reservezüge vorhalten", sagte "Pro Bahn"-Chef Karl-Peter Naumann der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Der Bund trage laut Grundgesetz eine  Verantwortung für den Fernverkehr. "Das ist eine öffentliche Aufgabe", sagte Naumann. Anders als früher, als die Bahn noch Zugreserven von zehn bis 15 Prozent der Flotte bereitgehalten habe,  seien es heute "nicht mehr viele", kritisierte der Vorstandsvorsitzende des Fahrgastverbands.

Ungewiss, wann sich der Fahrplan normalisiert

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© Tagesspiegel.de

Dennoch äußerte der Verband Verständnis, auch wenn die drastischen Maßnahmen für die Reisenden nicht erfreulich seien. "Im Interesse der Sicherheit muss alles getan werden", sagte Pro-Bahn-Chef Karl-Peter Naumann. "Lieber nachschauen, als mit Risiko auf die Strecke zu gehen." Naumann sagte, die Industrie könne sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

Wann der Fahrplan sich wieder normalisiert, ist laut Bahn vorerst ungewiss. Durch bereits laufende Sonderprüfungen der Achsen per Ultraschall kommt es schon seit Tagen zu Beeinträchtigungen für Reisende. Betroffen sind neben den ICE-T-Zügen die insgesamt 63 Züge vom Typ ICE 3, nachdem an einer Achse ein millimetertiefer Riss gefunden worden war. Siemens Transportation Systems in Erlangen hatte als Hersteller darauf verweisen, dass die Konstruktion der Achsen nach dem Stand der Technik und geltenden Normen gefertigt sei.

Zahlreiche Linien von Einschränkungen betroffen

Am Samstag kommt es laut Bahn vom frühmorgendlichen Betriebsbeginn an auf folgenden Linien zu Einschränkungen: Hamburg-Berlin-Leipzig-München, Wiesbaden-Frankfurt/Main-Leipzig-Dresden, Stuttgart-Singen-Zürich sowie Dortmund-Koblenz-Mainz-Frankfurt/Main-Nürnberg-Passau-Wien. Weitere ICE-Strecken seien nicht betroffen.

Informationen zu Ersatzfahrplänen seien ab sofort im Internet unter www.bahn.de/aktuell zu finden. Telefonische Auskünfte seien unter der Service-Hotline 08000-996633 zu erhalten. Wer seine Zugfahrt nicht antreten kann, kann sein Ticket nach Angaben der Bahn bis zum 30. November kostenlos umtauschen oder erstatten lassen. Zeitkarten würden anteilig erstattet. Wer statt eines ICE mit einem Intercity fahren muss, erhält demnach die Differenz des Fahrkartenpreises. Bei Spar-Angeboten wird die Zugbindung aufgehoben, Fahrgäste können also auch auf andere Verbindungen ausweichen.

Weiteres Vorgehen unklar

Offiziell gab es keine Angaben darüber, welche Konsequenzen die Bahn zieht, wenn sich die Hersteller nicht vor Wochenbeginn zu einer verbindlichen Aussage bereit erklären. Sollte sich herausstellen, dass die Probleme mit den Radsatzwellen auf einen Herstellungsfehler zurückgehen, werde man die Regressfrage stellen, erfuhr der Tagesspiegel am Sonntag aus Unternehmenskreisen. Die Höhe des bislang durch Zugausfälle und Verspätungen entstandenen Schadens lasse sich aber noch nicht beziffern, hieß es. Entscheidend ist das Ergebnis einer Studie des Bundesamtes für Materialforschung - es prüft, warum die Achse eines ICE 3 im Juli in Köln gebrochen war. Resultate liegen trotz der wochenlangen Prüfung aber noch nicht vor.

Siemens betonte, das Unternehmen halte Wartungsintervalle von 200.000 bis 300.000 Kilometer nach wie vor für sinnvoll. Diese Intervalle habe die Bahn auch eingehalten. Ansonsten verwies der Konzern auf die laufende Untersuchung des Eisenbahnbundesamts. Dort werden die schadhaften Radsätze derzeit inspiziert.

Auslöser war ein Achsenbruch im Sommer

Wegen zusätzlicher Sicherheitschecks bei den modernen ICEs kämpft die Bahn auf einigen Strecken seit Tagen mit überfüllten und verspäteten Zügen. Betroffen sind die insgesamt 130 Neigetechnik-Züge des Typs ICE-T und der ICE-3. Auch kommende Woche rechnet der Konzern noch mit Problemen.

Hintergrund der Sicherheitschecks ist der Achsbruch eines ICE-3 im Sommer in Köln. Dafür konnte nach Angaben des Unternehmens bisher keine eindeutige Ursache gefunden werden. Die Flotte wird seitdem in verkürzten Intervallen überprüft. Vergangene Woche hatte die Bahn die Kontrollen ausgeweitet, nachdem nach einem Umfall im Hamburger Bahnhof erneut ein Achsenriss an einem ICE gefunden worden war. (saw/sgo/Tsp/dpa/AFP)

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