zum Hauptinhalt

Australien: Queensland Ministerpräsidentin: Wie in einem Kriegsgebiet

Australien mangelt es oft an Wasser, jetzt wurde das Land überschwemmt. Auch wenn der Scheitelpunkt der Wassermassen unter der befürchteten Marke blieb, wird der Wiederaufbau Jahre dauern. Ist der Klimawandel schuld?

Der australische Staat Queensland steht wegen des Hochwassers vor einem jahrelangen Wiederaufbau. Zwar blieb der Scheitelpunkt der Wassermassen am Donnerstag in Brisbane unter der befürchteten Marke. Doch weite Teile der Millionenstadt glichen Venedig: In den 35 betroffenen Vororten wurden 12.000 Wohnhäuser überflutet.

118.000 Gebäude waren ohne Strom. “In manchen Gegenden sieht es aus wie in einem Kriegsgebiet“, sagte die Ministerpräsidentin von Queensland, Anna Bligh, nach einem Rundflug über Stadt. Inzwischen wurde eine Fläche so groß wie Deutschland, Großbritannien und Frankreich zusammen zum Katastrophengebiet erklärt. Die Stadt Brisbane geht davon aus, dass die der Wiederaufbau bis zu zwei Jahre dauert.

Nach Angaben der Behörden werden noch 61 Menschen vermisst. 19 kamen in den Wassermassen ums Leben. In den kommenden Wochen könnte es weitere Überflutungen geben. Die Böden sind aufgeweicht und die Talsperren randvoll. Die Regenzeit in der Region dauert aber noch zwei Monate. Der Wetterdienst warnte zudem vor einem weiteren Unwetter, das sich zu einem Wirbelsturm entwickeln könnte.

Die Schäden gehen nach Schätzungen in die Milliarden. Wichtige Infrastruktur wie Straßen, Bahnstrecken und Brücken sind zerstört. Nach Ansicht von Experten ist das Ziel der australischen Regierung in Gefahr, im Haushaltsjahr 2012/2013 ein Überschuss zu erwirtschaften.

Australien leidet mehr als andere Industrienationen

Schon einmal hat Australien mehr als andere Regionen unter einem globalen Umweltproblem zu leiden gehabt. Bevor das Ozonloch 1987 durch ein weltweites Abkommen, das Montreal-Protokoll, gebremst wurde, blieb den Australiern nur, sich mit viel Sonnencreme möglichst im Schatten aufzuhalten. Denn die durch das atmosphärische Ozon ungebremste ultraviolette Strahlung ließ die Zahl der Hautkrebserkrankungen sprunghaft steigen. Auch der Klimawandel wird Australien besonders treffen. Der australische Ökonom Ross Garnaut, der 2008 einen umfassenden Bericht über die Vorteile einer Klimaschutzpolitik für Australien vorlegte, hat jüngst festgestellt: „Australien ist in Gefahr, weitaus größere Schäden durch den Klimawandel zu erleiden als alle anderen Industriestaaten.“ Denn Australien hat jetzt schon ein extrem heißes und trockenes Klima.

Was hat die große Flut ausgelöst?

Jürgen Kropp vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) wundert sich nicht über die gewaltigen Regenfälle im Nordosten Australiens. Schon seit dem vergangenen Sommer steigt der von der australischen Wetterbehörde erhobene Indexwert SOI (Southern Oscilliation Index) stark an. Die Flut in Australien ist Folge des La-Nina-Phänomens, das dem El-Nino-Phänomen folgt. Dabei handelt es sich um ein „großskaliges Zirkulationsphänomen“, das in unregelmäßigen Abständen immer wieder stattfindet.

Während eines El Ninos ist Südostasien deutlich trockener als in normalen Jahren. Die Regenfälle verlagern sich an die Küste Südamerikas, dort regnet es dann selbst in Wüstengebieten. Während eines La Ninas wehen wegen der hohen Temperaturunterschiede zwischen dem östlichen und westlichen Pazifik starke Passatwinde in Richtung Südostasien und Australien. Dabei wird warmes Oberflächenwasser dorthin getrieben. Es entstehen mehr Wolken, weil warmes Wasser stärker verdunstet – mit der Folge starker Regenfälle wie jetzt in Queensland.

Liegt das am Klimawandel?

Jürgen Kropp beschreibt den Einfluss der globalen Erwärmung auf diesen Effekt als möglichen Verstärker: Durch den Klimawandel hätten sich die Temperaturen der Meere weltweit erhöht. „Das ist reine Physik“, sagt er. Warmes Wasser bringe mehr Verdunstung und damit mehr Regen. Ob die Stärke des momentanen La Ninas durch den Klimawandel verursacht wurde, kann Kropp nicht definitiv sagen, „weil man nie ein einzelnes Ereignis dem Klimawandel zuordnen kann“. Aber dass es einen Zusammenhang gibt, davon geht er schon aus, „denn es passt ins Bild“. Das sieht Matthew England von der Universität New South Wales ähnlich. „Die Gewässer vor Australien sind so warm wie noch nie“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Dagegen bestreitet Neville Nicholls von der Monash Universität in Melbourne einen solchen Zusammenhang. „Sicherlich beeinflusst die Erwärmung der Meere das Klima und Phänomene wie La Nina. Aber ich finde kein stichhaltiges Argument dafür, dass all diese Dinge sich dadurch notwendigerweise verschlimmern“, sagte er. Der Regen wird übrigens noch mindestens bis März anhalten, erst dann wird sich La Nina erfahrungsgemäß abschwächen.

Welche Folgen wird die globale Erwärmung für Australien haben?

Australien leidet bereits sichtbar. Das große Great Barrier Reef, das größte und artenreichste Korallenriff der Welt, ist in Gefahr. Wegen der warmen Wassertemperaturen – vor Australien steigen sie seit Anfang der 80er Jahre fast kontinuierlich an und liegen derzeit um etwa 0,6 Grad über dem langjährigen Durchschnitt – bleicht das Riff aus. Durch die aktuelle Flut befürchten Umweltschützer zudem, dass Giftstoffe aus den Kohletagebauen ins Riff geschwemmt werden könnten. Ökonom Garnaut sagt, dass vor allem die biologische Vielfalt in Australien unter dem Klimawandel leide. Das Land ist ziemlich flach. Wird es im ohnehin heißen Klima zu heiß für Pflanzen- oder Tierarten, können sie nicht nach oben ausweichen. Zudem kommen rund 90 Prozent der australischen Tier- und Pflanzenarten nur dort vor. Sterben sie hier aus, sind sie weg.

Besonders dramatisch fallen die Dürren aus. 2003 entstanden Buschbrände, die im Südwesten mehrere Dörfer auslöschten. Im Februar 2009 starben in den schlimmsten Buschfeuern, die Australien je erlebt hatte, 173 Menschen. „Vorausgegangen waren die höchsten im Bundesstaat Victoria je gemessenen Temperaturen (48,8 Grad)“, schreibt Stefan Rahmstorf vom PIK in seinem aktuellen Blog (www.wissenslogs.de). Überschwemmungen der Tagebaue in Queensland sind übrigens nichts Neues. Die gab es schon Anfang 2008 in einigen Regionen, im Vorjahr wurde eine Kupfermine von einem Zyklon getroffen, und später eine Uranmine im Norden des Landes überschwemmt.

Wie diskutiert Australien über das Klima?

In Australien glauben nur 27 Prozent der Bauern, dass es einen menschengemachten Klimawandel gibt. In den Städten seien es immerhin 58 Prozent, berichtet die Zeitung „The Australian“. Dennoch hat das Thema 2007 die lange Herrschaft der konservativen Partei beendet und Kevin Rudd zum Premierminister gemacht. Er führte das erste Klimaministerium der Welt ein. Inzwischen ist er von seiner Parteifreundin Julia Gillard gestürzt worden; sie hat es 2010 knapp geschafft, Premierministerin zu bleiben. Klimawandel spielte im Wahlkampf keine Rolle mehr. (mit Reuters)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false