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Bachs Kopf: Da ist Musik drin

Wissenschaftler haben den Kopf des Komponisten Johann Sebastian Bach rekonstruiert. Jetzt ist bekannt wie Bach ausgesehen haben könnte: ein stattlicher Mann mit einem etwas schiefen Gesicht.

Mit einem Schädel, selbst wenn der nur aus Gips ist, geht man nicht auf Reisen. Das weiß jetzt auch Jörg Hansen. Die Sicherheitsleute am Berliner Flughafen werden sich noch lange an jenen Tag erinnern, als der Mann seinen Pappkarton öffnete und beteuerte, dieser Schädel sei von Johann Sebastian Bach und nur aus Gips. Was er damit in Schottland wollte, musste er nicht erklären. Die Maschine konnte pünktlich mit dem Direktor des Eisenacher Bachhauses an Bord starten.

Im schottischen Dundee wurde Hansen samt Gipsschädel bereits von Caroline Wilkinson erwartet. Die Wissenschaftlerin arbeitet als Dozentin für forensische Anthropologie an der Universität Dundee. Seit Dezember rekonstruiert Wilkinson das Gesicht des Komponisten. Der Gipskopf aus Thüringen, den Hansen im Handgepäck hatte, soll noch einmal neue Daten liefern. Doch eigentlich bestätigt er, was man weiß: Johann Sebastian Bach war ein stattlicher Mann, sein Unterkiefer stand hervor, die Augenhöhlen lagen tief, die Nase war groß und das Gesicht zudem leicht schief. „Wenn sich sein Aussehen bestätigt, würde das einiges erklären“, meint denn auch Jörg Hansen und stellt einen Zusammenhang zwischen gut aussehenden Menschen und erfolgreichen Geschäftsverhandlungen her. Beim Gehalt habe Bach nie gut verhandeln können.

Beim Komponieren hingegen war er unübertroffen. Diese Meisterschaft lässt sich freilich nicht aus einem Schädel ablesen. Was sie in ihrem Labor mit modernster Computertechnik rekonstruiert kann, ist Bachs Antlitz zum Zeitpunkt seines Todes. Mehr nicht. Ein entspanntes Gesicht will sie zeigen, das dem des Komponisten mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent ähnelt. Diese gesichtsmedizinische Rekonstruktion steht im Mittelpunkt der neuen Sonderausstellung „Bach im Spiegel der Medizin“, die am 21. März im Eisenacher Bach-Museum eröffnet wird.

„Eigentlich sollte die Rekonstruktion als Zugabe gedacht sein. Doch nun steht sie im Zentrum der Schau“, sagt Museumsdirektor Jörg Hansen. Bei ihrer Arbeit stützt sich die Wissenschaftlerin nahezu ausschließlich auf einen Bronzeabguss des Bach-Schädels, den der Bildhauer Carl Ludwig Seffner anfertigte nachdem man 1894 den Sarg, in dem Johann Sebastian Bach am 31. Juli 1750 auf dem Leipziger Johanniskirchhof bestattet wurde, exhumierte. Bach, am 21. März 1685 in Eisenach geboren, war am 28. Juli 1750 – nur kurze Zeit nach einer Augenoperation – gestorben. „Sechs Schritte geradeaus von der Thüre an der Südseite der Kirche“, so lautet die Überlieferung, lag sein Grab, das wegen eines Neubaus der Johanniskirche geöffnet wurde. 2,37 Meter tief gruben die Männer und fanden in einem Eichensarg ein fast vollständig erhaltenes männliches Skelett. Der Leipziger Anatom Wilhelm His wusste gleich: „Wir hatten es nicht mit einem Dutzendkopfe zu thun, und das war insofern tröstlich, als jede indifferente Form eine Verfolgung der Herkunft ausgeschlossen hätte.“ An ebenjene Verfolgung machte sich His mit dem Bildhauer Seffner. Beide Männer sorgten nachweislich für die erste wissenschaftliche Gesichtsrekonstruktion.

Dass man an Gottlob Haußmanns berühmtem Bach-Porträt nicht vorbeikommt, muss auch Carolin Wilkinson eingestehen. Den Bronzeschädel zur Linken, eine Kopie des Gemäldes auf der Fensterbank und den Monitor vor Augen lässt sie auf einem computeranimierten Schädel Muskeln wachsen, legt mit wenigen Mausklicks eine Fettschicht darüber, drückt den Button für die Haut: auf dem Bildschirm dreht sich ein dreidimensionaler Männerkopf – Johann Sebastian Bach.

Ilka Hillger

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