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Bad Reichenhall: Nach Dacheinsturz elf Tote geborgen

Bei dem Einsturz der Eissporthalle in Bad Reichenhall sind vermutlich 15 Menschen ums Leben gekommen. Elf Menschen wurden bereits tot geborgen.

Bad Reichenhall - Nach dem verheerenden Einsturz der Eissporthalle in Bad Reichenhall ist die Hoffnung der Retter geschwunden, noch Überlebende im Trümmerberg zu finden. Bis Dienstagnachmittag bargen die Hilfskräfte elf Tote aus der völlig zerstörten Halle, dann mussten sie die Arbeiten wegen Einsturzgefahr zeitweise abbrechen. Die meisten Todesopfer sind Kinder oder Jugendliche, die beim Freizeitsport überrascht wurden. Drei Kinder und eine Frau wurden noch vermisst. Vor dem Unglück war ungewöhnlich nasser und schwerer Schnee gefallen. Zwar wurde die Belastung des Daches kurz vor dem Kollaps überprüft, dennoch gab es Spekulationen über Versäumnisse der Behörden.

Die Staatsanwaltschaft Traunstein ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Anfang kommender Woche soll es einen Trauergottesdienst von Freistaat, Landkreis und der Stadt geben.

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sagte beim Besuch des Unglücksortes: «Jetzt ist nicht die Frage, wer Verantwortung trägt.» Das werde «morgen oder übermorgen» Thema sein. Der Direktor der Fakultät Bauingenieurwesen der Ruhr-Universität Bochum, Reinhard Bergmann, betonte in einem dpa-Gespräch: «Für das Unglück in Bad Reichenhall gibt es aus meiner Sicht als Erklärung nur mangelnde Wartung.»

Mit schwerem Räumgerät und Kränen, aber auch bloßen Händen versuchten hunderte Rettungskräfte am Dienstag weiter, an die Verschütteten heranzukommen. Immer wieder schneite es. Eine Außenwand wurde unter dem Druck der Trümmer weggedrückt, Statiker mussten immer wieder die Gefahr für die Retter beurteilen. «Es wäre nicht zu verantworten, dass weiter Rettungskräfte hineingehen und nach Vermissten suchen», teilte Landrat Georg Grabner schließlich am Nachmittag mit. Eine Spezialfirma solle die Arbeiten am Abend wieder aufnehmen. Sie solle zunächst die Trümmer Stück für Stück abtragen. Dann solle die Suche nach den Vermissten wieder aufgenommen werden.

«Wir sind sehr zuversichtlich, die Vermissten bis morgen (Mittwoch) zu finden», sagte Kreisbrandrat Rudi Zeif. Es gebe immer noch eine geringe Hoffnung, dass jemand auf dem kalten Eis überlebt haben könnte. Auch Polizeisprecher Fritz Braun sah noch geringe Chancen: «Es gibt Aussagen, dass Überlebensräume vorhanden sind - allerdings ist die Zeit sehr fortgeschritten.» Zeitweise sei überlegt worden, heiße Luft in die Trümmer zu blasen, jedoch hätte dies nach Aussagen der Notärzte zusätzliche Gefahren für die Opfer gebracht.

Die Staatsanwaltschaft ordnete unterdessen ein Obduktion der Leichen an. Zudem begannen die Ermittler, Unterlagen und Pläne sicherzustellen. Sie sollten Sachverständigen zur Erstellung von Gutachten zur Verfügung gestellt werden. Es sei nicht mit einem raschen Ergebnis zu rechnen, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Helmut Vordermeier. «Wir stehen mit unserer Arbeit am Anfang.»

In einer Grundschule betreuten Spezialisten des Malteser Hilfsdienstes und des Arbeiter-Samariter-Bundes Angehörige der Opfer und leisteten Erste Hilfe für die Seele. «Es geht um menschlichen Beistand», sagte Malteser-Sprecher Peter Volk. Die Kriseninterventionsteams begleiteten Eltern zur Identifizierung ihrer toten Kinder, waren dabei, wenn die Polizei eine Todesnachricht überbringen musste und saßen mit Angehörigen zusammen, die immer noch verzweifelt auf ein Lebenszeichen der Verschütteten warteten.

Bei den Todesopfern handelt es sich um viele Kinder und Jugendliche, die am Montag die Schulferien für einen Nachmittag auf dem Eis nutzen wollten. Darunter sind zwei Jungen und vier Mädchen zwischen neun und zwölf Jahren, zwei Jugendliche sowie eine etwa 35-jährige Mutter. Alle stammen aus den oberbayerischen Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein. 34 Menschen wurden verletzt, 18 von ihnen mussten im Krankenhaus behandelt werden. Vermisst werden noch drei Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 12 und 16 Jahren sowie eine Frau.

Die Stimmung in Bad Reichenhall sei «sehr gedrückt», sagte der Sprecher des Landratsamtes, Christoph Abreß. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in Berlin: «Das grausame Schicksal, das insbesondere Kinder und junge Menschen erlitten haben, die einen unbeschwerten Ferientag mit ihren Familienangehörigen verleben wollten, bewegt mich und bewegt uns alle in ganz besonderer Weise.»

Der Bad Reichenhaller Oberbürgermeister Wolfgang Heitmeier (Freie Wähler) wies Vorwürfe wegen möglicher Fahrlässigkeiten erneut zurück. Der Stadtrat hatte im Juni 2005 über eine Sanierung für die Schwimmhalle beraten, in das auch die Eislaufhalle einbezogen werden sollte. «Eine Untersuchung, an der auch ein Statiker beteiligt war, hat ergeben, dass keine Sicherheitsaufwendungen nötig sind, sondern nur Schönheitsaufwendungen und die Erneuerung der technischen Ausstattung», sagt Heitmeier.

Wenige Stunden vor dem Einsturz sei das Dach auf die Belastung durch die Schneelast überprüft worden. Die zulässigen Belastungswerte durch den Schnee seien dabei unterschritten gewesen. Die Trainingsabsage des örtlichen Eishockeyclubs kurz vor dem Unglück sei eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen, es habe keine Hinweise auf eine akute Gefahr gegeben. Das Dach hätte am Dienstag vom Schnee befreit werden sollen - das Unglück ereignete sich am Montagnachmittag gegen 16 Uhr.

Auch andernorts reagierten die Behörden besorgt auf die schweren Schneefälle, die Stadt Rosenheim sperrte vorsorglich eine Eishalle und eine Sporthalle. Aus Sorge um einen Einsturz der Bahnsteigüberdachung am Bahnhof wurde in Traunstein der Zugverkehr kurzzeitig eingestellt, das Dach wurde freigeschaufelt. (tso/dpa)

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