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Tödliches Risiko. Am Timmendorfer Strand darf derzeit nicht gebadet werden. Am schleswig-holsteinischen Ostseestrand haben sich gefährliche Strömungen gebildet. Am Wochenende und am Montag sind mehrere Menschen in den gefährlichen Gewässern ertrunken.

© dpa

Badeunfälle an der Ostsee: Retter in der Not

Die ehrenamtlichen DLRG-Helfer aus ganz Deutschland haben an der Ostseeküste eine Menge zu tun. Starker Wind erzeugt gefährliche Strömungen in dem ansonsten harmlosen Meer. Viele Urlauber ignorieren die Warnhinweise.

Strahlend blauer Himmel, Sonne satt. Die Strände an Nord- und Ostsee sind voll von Urlaubern aus dem In- und Ausland. Von Badevergnügen will seitens der Verantwortlichen bei der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) derzeit allerdings niemand sprechen. Seit Tagen trübt die Nachrichtenlage entlang der Küsten die Stimmung. Auch am Dienstag meldet die Polizei in der Lübecker Bucht bei Scharbeutz wieder einen Badetoten – den mittlerweile sechsten in dieser Saison an Schleswig-Holsteins Meeren.

Am Dienstag ertrank ein 70-jähriger Mann

Das jüngste Opfer ist ein 70-jähriger Kurzurlauber aus Niedersachsen. Ein 13-jähriger Junge wurde am gleichen Ort dagegen gerettet. Besonders die Ostsee erweist sich in diesem Jahr bei nordöstlichen Winden als besonders tückisch. Denn es haben sich immens gefährliche Unterwasserströmungen gebildet. Am vergangenen Wochenende haben die Helfer vom DLRG an einem Strandabschnitt bei Kappeln gleich 16 Badegäste vor dem Ertrinken gerettet. Sechs von sieben DLRG-Leuten sind gerade mal zwischen 16 und 20 Jahre alt

„Mit Baywatch-Romantik hat das hier rein gar nichts zu tun“, sagt Volkmar Paulus. Er leistet mit Unterbrechungen seit 18 Jahren seinen ehrenamtlichen DLRG- Sommerdienst in Eckernförde. Der Berliner ist 43 Jahre alt und stellvertretender Wachleiter. Er schüttelt nur mit dem Kopf über den Leichtsinn und die Unvernunft der Strandgänger. „Wir haben hier gestern die rote Flagge aufgezogen. Das heißt absolutes Badeverbot wegen der stürmischen Brandung.“ Trotzdem seien viele Besucher einfach ins Wasser gegangen.

Aufmerksam. Chiara Wüste (links) und Yannik Kuhn an ihrem Arbeitsplatz bei der Überwachung des Weidefelder Strandes bei Kappeln.
Aufmerksam. Chiara Wüste (links) und Yannik Kuhn an ihrem Arbeitsplatz bei der Überwachung des Weidefelder Strandes bei Kappeln.

© Dieter Hanisch

Auch die Wachmannschaft vom Weidefelder Strand und von Schönhagen bei Kappeln muss pausenlos wachsam sein. Sie kommen alle aus Hamm von der DLRG-Ortsgruppe Heessen. Wachleiterin ist Chiara Wüste. Die 18-Jährige hat ihren dritten Sommereinsatz hinter sich, doch noch nie war er so arbeitsintensiv wie diesmal. An diesem Dienstag hält sie mit Yannik Kuhn Wache. Daheim trainieren sie wöchentlich immer zusammen die Abläufe, Handgriffe und Beatmungsschritte. Die reale Rettungssituation ist dann aber doch noch etwas ganz anderes.

Die DLRG-Helfer haben zwei Jugendgruppen gerettet

Zwei Jugendgruppen haben Chiara Wüste und ihre Kollegen am vergangenen Wochenende gerettet, dazu ein zehnjähriges Mädchen, zwei Männer und eine Frau – insgesamt 16 in Not geratene Schwimmer. Am Montag haben die Helfer dann drei weitere Menschen aus dem Wasser gezogen.

„Jeden Morgen gehen wir als aller erstes ins Wasser und machen uns von der Lage ein eigenes Bild“, erzählt Rettungsschwimmerin Wüste. Dann werde entschieden, welche Flagge gehisst werde: Rot für ein generelles Badeverbot, gelb nur für geübte Schwimmer, aber nicht für Nichtschwimmer oder rot-gelb, was lediglich signalisiert, dass der Badestrand bewacht ist. Gewaltiger Nordostwind und eine nicht optisch sichtbare Unterwasserströmung, die einem die Beine wegreißt und dann womöglich unter Wasser oder ins offene Meer hinauszieht, sind witterungsbedingte Gefahren, die viele unterschätzen. „Das hat gar nicht mal etwas mit dem Alter zu tun. Die Betroffenen haben einfach ihre Kräfte überschätzt“, erläutert Thies Wolfhagen von der DLRG Schleswig-Holstein.

Trotz der dramatischen Szenen: Alle wollen wieder kommen

Der Verbandssprecher kann sich nicht zurückerinnern, dass es in einer Badesaison bereits einmal innerhalb kürzester Zeit so viele erfolgreiche Rettungseinsätze gegeben hat. Bis Dienstagnachmittag waren es beispielweise 39 in Schleswig-Holstein und weitere 15 in Mecklenburg-Vorpommern. Dort wurden aktuell bereits sechs Ostsee-Badeopfer gezählt. Die diesjährige Statistik sähe ohne die Arbeit der DLRG-Retter also wohl noch viel schlechter aus.

Eine Rettungsschicht ist meistens zwei, manchmal auch drei Wochen im Einsatz. Die Aktiven kommen aus ganz Deutschland. Im nördlichsten Bundesland verrichten 2500 von ihnen ihren Dienst in der Badesaison, bundesweit sind es rund 4000. Am Wochenende ist nun Schluss für Chiara Wüste und die Ehrenamtler aus Hamm – Schichtwechsel! Doch trotz der intensiven Zeit und den dramatischen Rettungseinsätzen steht für sie und die anderen „Helden“ bereits fest: Sie wollen alle im kommenden Jahr wiederkommen!

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