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Panorama: Bär Bruno – juristisch ist er eine Schnecke

Anwalt scheitert mit Klage gegen Abschuss

Vor der Tür zu Sitzungssaal 5 des Münchner Verwaltungsgerichts stand ein grauhaariger Mann im beigen Parka und hielt einen Zettel in der Hand: „Ich klage die Bayerische Staatsregierung wegen Mordes an meinem Bruder Bruno an“, war darauf zu lesen. Mit düsterer Miene blickte der Mann, der sich selbst „Bärenanwalt“ nennt, in die vielen Fernsehkameras und Fotoapparate, die auf ihn gerichtet waren. Der Mann ist Bernhard Fricke, Rechtsanwalt, ehemaliger Münchner Stadtrat und Mitbegründer der Naturschutzorganisation „David gegen Goliath“. Gestern Vormittag war er nur Trittbrettfahrer eines Spektakels, in dessen Fokus Andere standen.

Der hektische Medienrummel galt dem „Problembären“ Bruno, wie ihn Stoiber genannt hatte, dem ersten deutschen Braunbären seit 170 Jahren, der an geheimem Ort tiefgefroren aufbewahrt wird. Vor fast einem Jahr, am 24. Juni 2006 um 4 Uhr 50 morgens, war Bruno alias „JJ1“ oberhalb des Spitzingsees durch einen Schuss niedergestreckt worden, nachdem wochenlang Spürhunde und Bärenexperten versucht hatten, das Schafe, Kaninchen und Hühner reißende Tier einzufangen. Man befürchtete, dass der aus Italien über Österreich eingewanderte Bär eine Gefahr für den Menschen darstelle – eine umstrittene Entscheidung. Gegen die Verfügung der Regierung von Oberbayern, die den Tod des Medienlieblings zur Folge hatte und dem Bayerischen Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) gar Drohungen gegen Leib und Leben einbrachte, zog jetzt der Münchner Rechtsanwalt Rudolf Riechwald vor Gericht.

Weil die aus seiner Sicht falsche Reaktion des Staates, die Tötung des Tieres, sich beim nächsten bayerischen Bären nicht wiederholen soll, sagt Riechwald. Weil er eine Medienshow zu Werbezwecken sucht, unterstellte sein Gegner, Landesanwalt Peter Samberger, der im gestrigen Prozess den Freistaat Bayern vertrat. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob Bürger Riechwald, der in Kochel am See lebt, wo Bruno nächtens umher spaziert war, überhaupt klageberechtigt ist. Klagen darf nämlich nur der, dessen Rechte beschnitten worden sind.

Riechwald berief sich deshalb auf sein Grundrecht auf Genuss der Naturschönheiten, zu dem laut Bayerischer Verfassung auch das Betrachten seltener Wildtiere wie Bruno gehöre. Der beklagte Freistaat sah das ganz anders. Und zu einem deutlichen Nein kam auch das Gericht: Juristisch gesehen ist Bruno nämlich nichts anderes als eine Weinbergschnecke. Wird diese eingesammelt, um in Weißweinsoße gekocht auf der Zunge zu zergehen, dürfe auch kein Bürger klagen, weil er diese individuelle Schnecke zwar auf seinem Teller, nicht aber in der freien Natur betrachten könne, führte Richter Volker Berberich mit Augenzwinkern aus. Ein Bürger, so das Gericht in der Urteilsbegründung, habe also kein Recht darauf, gegen die Entnahme eines einzelnen Wildtieres aus der Natur zu klagen.

Katja Riedel[München]

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