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Akademiker in Lederhosen. LaBrassBanda wurden beim deutschen Vorentscheid zum ESC nur Zweiter. Sie hätten in Malmö bestimmt besser abgeschnitten als Cascada. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Panorama: Barfüßig, blechern, bayerisch

Die Band LaBrassBanda spielt mit Klischees – und erobert die Konzertsäle in Deutschland.

Sie grüßen mit „Servus“ und sagen zum Abschied „Habe die Ehre“. Sie tragen Lederhosen, spielen Blechblasinstrumente und leben in Übersee am Chiemsee – ein Flecken, der als einer der schönsten von ganz Bayern gilt. Das ist eigentlich ganz normal, auch in der Generation der 30-Jährigen wird in Bayern noch Volksmusik gepflegt. Wenn die fünf jungen Männer von LaBrassBanda aber aufspielen, mit Trompete, Posaune und Tuba, wird jegliche Gewissheit über Volksmusik zerstört. Im vorwiegend jungen Publikum geht es dann eher zu wie einst auf Punk- oder Hardrock-Konzerten. „Wir machen alles, was drinsteckt in diesen Körpern“, schreit Sänger Stefan Dettl und kündigt an, dass es nun „brutal“ werde beim „schnellsten Stück, was wir haben“.

Die Musiker von LaBrassBanda, die mit ihrem neuen Album „Europa“ mittlerweile Platz 15 der Album-Charts erklommen haben, sind ein Phänomen, über das man sagen könnte: Das gibt es nur in Bayern. Wie soll man ihre Musik beschreiben? Sie hat vor allem Tempo. Volksmusik, Hip-Hop, Reggae, Balkan-Rock – alles wird irgendwie durchmischt. Die Beats sind ebenso hart wie die Blechtöne.

Bis die vor sieben Jahren gegründete Alpenrock-Band aber in ihrer Heimat und in Deutschland zu Ruhm kam, musste sie eine lange Reise zurücklegen. Sie spielten in Kroatien, den USA und sogar in Sibirien. Im letzten Jahr ging es durch Deutschland und die bayerische Heimat. Spätestens mit dem deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest 2013 in Malmö wurden sie bekannt. Zuvor gaben sie das Versprechen ab, bei einem Sieg mit dem Traktor vom Chiemsee nach Malmö zu fahren, was etwa zwei Wochen gedauert hätte. Doch dem sollte nicht so sein – LaBrassBanda war zwar der Publikumsliebling, Platz eins erhielt aber Cascada. Die floppte dann in Schweden mit ihrem Retorten-Pop und kam auf den blamablen Platz 21.

Die fünf Musiker von LaBrassBanda sind weit mehr als bayerische Gaudiburschen, die es ordentlich krachen lassen. Kennengelernt haben sie sich am Münchner Konservatorium, wo sie klassische Musik und Jazz studiert hatten. Der Tubaspieler Andreas Hofmeir hat es auch akademisch zu höchsten Würden gebracht: Er ist Universitätsprofessor für Tuba am Mozarteum in Salzburg. LaBrassBanda proben weiterhin in einem Raum in Übersee am Chiemsee. Und ihre Auftritte absolviert die Band wie eh und je barfuß.

LaBrassBanda spielt mit vielen hartnäckigen bayerischen Klischees. In einem Video witzeln die Musiker über die verschiedensten Bezeichnungen bayerischer Regionen, die vor allem bei Nicht-Bayern völlige Verwirrung auslösen. Sie kommen ja aus „Südost-Oberbayern“, sagen sie. Und weiter in der Geografiekunde: „Niederbayern liegt über Oberbayern.“ Das erinnert an Christian Ude, den SPD-Spitzenkandidaten für die bayerische Landtagswahl, der als Münchner längere Zeit Probleme hatte mit der räumlichen Zuordnung von Ober-, Mittel- und Unterfranken.

Auf ihrer Homepage zeigen LaBrassBanda ein schlechtes, gelbstichiges Foto mit vielen Schmutzflecken auf der Linse. Darauf ist die Autobahn und es heißt: „Im Bus nach Straubing – Wir sind auf dem Weg!“ Das Bild mit den Trucks könnte auch in den 1970er Jahren auf einem US-Highway aufgenommen worden sein – und so soll es auch wirken. Jüngst hat sich sogar „theworld.org“ mit den Bayern-Rockern befasst. Die Webseite wird von öffentlichen US-Radiosendern und der BBC für amerikanische Leser zusammengestellt. Dort wird dem angelsächsischen Leser berichtet, dass die Heimat von LaBrassBanda geprägt ist von Milchbauernhöfen und politischem Konservativismus. Die US-Leser erhalten die Information, dass man selbst in weiten Teilen Deutschland den bayerischen Dialekt nicht versteht. Und Schlagzeuger Manuel da Coll stellt einen Vergleich zwischen Oberbayern und Texas an. Beide haben ein ähnliches Imageproblem, meint er. LaBrassBanda sind auch deshalb so erfolgreich, weil sie als einzigartig schräg erscheinen. Dabei stehen sie in einer langen kulturgeschichtlichen Tradition, die man als die geistvolle bayerische Quertreiberei bezeichnen könnte. Je verstockter ein Land in seiner Ausprägung erscheint, umso mehr reizt dies auch zum Widerspruch. Der Schriftsteller Oskar Maria Graf ging in Lederhosen im New Yorker Exil durch die Straßenschluchten. Zu den weiteren bayerischen Querköpfen gehören etwa Franz Xaver Kroetz, Gerhard Polt oder Georg Ringsgwandl. Musikalisch machte Hans-Jürgen Buchner mit Haindling schon in den 1980er Jahren Bayern-Rock. Auch Hubert von Goisern gehört in diese Kategorie – der ist zwar Österreicher, aber das ist etwas Ähnliches.

In Berlin tritt die Band am 11. November im Astra Kulturhaus auf.

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