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Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden.

© dpa

Bayern: Atheisten kippen strenge Karfreitags-Verbote

Ein Freigeister-Bund hat in Bayern ein ganz großes Fass aufgemacht. Vor dem Bundesverfassungsgericht hat er durchgesetzt, dass am Karfreitag Musik gespielt werden darf.

Wer sich als Durchschnittsberliner in das bayerische Feiertagsgesetz einliest, wird meinen, dass es kein Vorrecht afghanischer Taliban sein muss, bei öffentlichen Tanzvergnügen auf die Spaßbremse zu treten. An „stillen Tagen“ wie etwa zu Ostern, Heiligabend oder am Aschermittwoch, so wird in Bayern dekretiert, sind „Unterhaltungsveranstaltungen“ nur erlaubt, wenn der „ernste Charakter“ der Tage gewahrt werde. Die Gemeinden dürfen Ausnahmegenehmigungen erteilen, kein Pardon gibt es jedoch für den Karfreitag, an dem „in Räumen mit Schankbetrieb musikalische Darbietungen jeder Art verboten“ sind. Der Tag wird von allen Ausnahmen ausgenommen.

Das geht zu weit, hat das Bundesverfassungsgericht mit einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss entschieden und damit ein Fass aufgemacht, aus dem Bayerns Politik noch länger schöpfen wird. (Az.: 1 BvR 458/10). Die Regelungen mit ihrem „qualifizierten Ruhe- und Stillerahmen“ seien zwar insgesamt verfassungsgemäß, jedoch nicht für den besonders strikten Karfreitagsschutz. Es sei unverhältnismäßig, meinen die Richter, wenn Befreiungen von den dort angeordneten „Handlungsverboten“ von vornherein ausgeschlossen sind.

Bayern will sich bei der Umsetzung Zeit lassen und die Urteilsbegründung erst einmal „in Ruhe prüfen“, erklärte Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Leitlinie bleibe dabei, dass der Charakter von stillen Tagen nicht angetastet werden solle.

Ausnahmen müssen möglich sein

So lässt es eine Staatsregierung aussehen, wenn sie, wie zuvor in Sachen ihrer Volksbefragung, zum zweiten Mal in kurzer Folge bescheinigt bekommt, Verfassungsgrenzen überschritten zu haben. Mit ihren Volksbefragungen wollten die Bayern als demokratischstes Land aller Länder erscheinen; der strikte Feiertagsschutz nun gilt als Markenkern christlicher Leitkultur, den auch Ungläubige zu akzeptieren haben.

Ausgewiesene Ungläubige waren es auch, die das Gesetz zu Fall gebracht haben. Ein „Bund für Geistesfreiheit“ hatte am Karfreitag 2007 in ein Münchner Theater zu einer Veranstaltung namens „Religionsfreie Zone“ gebeten, die in einer „Heidenspaß-Party“ mit „Freigeister-Tanz“ und Rockband gipfeln sollte. Diesen Event-Teil verboten die Behörden mit Hinweis auf den „stillen Tag“. Die Freigeister klagten, zunächst vergeblich, und zogen nach Karlsruhe.

Dort zeigte man viel Verständnis für christliche Ruhebedürfnisse, aber auch für unwillige Bürger, die bei einer geschlossenen Veranstaltung zu eher politischen Protesten trommeln. Dann, so die Richter, könne das bayerische Feierverbot auch in die Weltanschauungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit eingreifen – weshalb der Gesetzgeber auch für den Karfreitag künftig eine Ausnahme vorsehen muss.

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