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Panorama: Beliebtes Urlaubsgebiet an der Atlantikküste betroffen

Drei Wochen nach der Havarie des Öltankers "Erika" vor der bretonischen Atlantikküste wächst die Wut über die Umweltkatastrophe. Die Ölpest sei zum Symbol für die Gefahren des "entfesselten Kapitalismus" geworden, sagte der französische Premierminister Lionel Jospin.

Drei Wochen nach der Havarie des Öltankers "Erika" vor der bretonischen Atlantikküste wächst die Wut über die Umweltkatastrophe. Die Ölpest sei zum Symbol für die Gefahren des "entfesselten Kapitalismus" geworden, sagte der französische Premierminister Lionel Jospin. "Angesichts des oft exzessiven Appetits des Marktes müssen wir die Rechte der Person, die Qualität der Umwelt und unsere natürlichen Ressourcen verteidigen", betonte Jospin. Die "Erika" war ein veralteter Öltanker, der nicht mehr den Sicherheitsstandards entsprach und unter maltesischer Billigflagge fuhr.

Wütende Reaktionen kamen auch von der Ile de Ré, die am Sonntag erstmals von der Ölpest heimgesucht worden war. Die Schriftstellerin Madeleine Chapsal rief zur Rettung der naturbelassenen "weißen Insel" vor der Hafenstadt La Rochelle in Westfrankreich auf. Sie hofft auf Unterstützung prominenter Inselgäste wie Premier Jospin, Ex-Justizminister Jacques Toubon oder des Schriftstellers Philippe Sollers. Die Ile de Ré hat sich in den letzten Jahren zum "Saint Tropez der Atlantikküste" entwickelt - entsprechend lautstark ist nun die Empörung über die Ölpest.

Während Stars und Sternchen noch über mögliche Hilfsmaßnahmen nachdenken, haben Sozialhilfeempfänger und arbeitslose Jugendliche bereits mit dem Säubern der Strände begonnen. Gestern reisten 50 Jugendliche aus der Pariser Vorstadt an die Atlantikküste, um sich an den Reinigungsarbeiten zu beteiligen. Zu der Aktion hatte die Bürgerrechtsinitiative "SOS Racisme" aufgerufen, finanziert wird sie vom Regionalrat der Ile-de-France. Bereits am Sonntag hatten sich auf der Ile de Ré 250 Freiwillige zum "Strandputzen" gemeldet, darunter viele Kinder.

Aufruf zum Boykott

Die Wut der Helfer gilt vor allem dem französisch-belgischen Ölkonzern TotalFina-Elf, der die "Erika" gechartert hatte. Mehrere Umweltorganisationen haben zum Boykott der Total- und Elf-Tankstellen aufgerufen. Unmut wurde auch über unzureichende Koordinierung der Behörden laut. "Wir hatten zwei Wochen, um uns vorzubereiten, und stehen heute mit leeren Händen da", klagt eine Naturschützerin auf der Ile de Ré. Die Verantwortlichen hatten sich zunächst vor allem um die Beseitung der Schäden gekümmert, die der verheerende Jahrhundert-Sturm der vergangenen Woche verursacht hatte.

Überrascht sind die Behörden auch von dem ungewöhnlichen Ausmaß der Ölpest. Insgesamt sind 500 Küstenkilometer betroffen. Die Umweltkatastrophe übertrifft damit, zumindest der Fläche nach, die Ölpest der "Amoco Cadiz", die 1978 die nördliche Bretagne heimgesucht hatte. Damals hatten sich die Umweltschäden auf wenige Küstenkilometer konzentriert. Diesmal wird der Ölteppich durch Sturm und Strömungen über die gesamte nördliche Atlantikküste verteilt. Betroffen sind vor allem die Seevögel. Bisher wurde 18 000 tote Tiere gefunden. Da die meisten Vögel aber unbemerkt auf hoher See verenden, gehen Naturschützer von bis zu 300 000 Tier-Opfern aus.

Unterdessen schwindet die Hoffnung, die Quelle der Verschmutzung rasch beseitigen zu können. Mit dem Auspumpen des Wracks der "Erika" könne erst in drei oder vier Monaten begonnen werden, sagte ein Experte im französischen Radiosender "Europe 1". Es handele sich um eine "komplizierte industrielle Operation", da das Wrack in zwei Teile zerbrochen ist und in 120 Metern Meerestiefe auf Grund liegt. In den Tanks der gesunkenen "Erika" lagern vermutlich noch 20 000 Tonnen Schweröl.

Am Montag wurde der Einsatz eines zweiten Tauchroboters vorbereitet, der zum Wrack hinabgelassen werden soll. Der 80 Kilogramm schwere "Achill" soll den am Heckteil der "Erika" blockierten Roboter "Abyssub" befreien. Dieses mit Kameras versehene Fahrzeug, das schon bei der Suche nach der "Titanic" eingesetzt worden war, soll Aufschluss über den Zustand der auf dem Meeresgrund gelegenen Schiffshälften geben.

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