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Bericht einer Austausch-Journalistin: Auf Zeitreise durch Kirgisistan

Auf den Spuren der historischen Seidenstraße können Touristen in Kirgisistan wandeln. Ekaterina Khvan, kirgisische Austauschjournalistin und zu Gast beim Tagesspiegel, berichtet, was es dort zu erleben gibt.

Pferdereiten, Wandern in Bergen, Jurtenübernachtungen… Diese Erlebnisse erwarten die Touristen in Kirgisistan, einem Land in Zentralasien, das zwischen kasachischen Steppen, usbekischen Wüsten, Tadjikistan und China liegt und mehr als 5000 Kilometer von Deutschland entfernt ist. Reiseveranstalter bieten Reisen durch Kirgisistan an, auf denen Touristen auf den historischen Spuren der Karawanen der Seidenstraße wandeln können. Das mittelalterliche Kirgisistan lag auf dem Weg zwischen Osten und Westen, es war ein wichtiger Punkt auf der Seidenstraße, die Europa und Asien verband.

Bis heute bewahrt das Territorium Kirgisistans Erinnerungen an die Seidenstraße in Form von Denkmälern, die sich auf dem früheren Handelsweg befinden: Minarette und Mausoleen, Festungen und Altstädte. Eines der ältesten Denkmäler in Kirgisistan ist die Steinfestung oder Karawan-Serei Tasch-Rabat, die sich in den Tian Shan-Bergen befindet, circa 100 Kilometer von der kirgisisch-chinesischen Grenze entfernt und auf einer Höhe von mehr als 3000 Metern über dem Meeresspiegel. Über Tasch-Rabat gingen die Karawanenwege nach Kaschgar (China) und Ferganatal (Usbekistan). Historiker und Archäologen sind sich bis heute nicht einig, wer diese Steingebäude wann baute - und warum. Einige meinen, Tasch-Rabat sei ein christliches oder buddhistisches Kloster im 10. oder 11. Jahrhundert nach Christus gewesen. Andere glauben, Tasch-Rabat sei eine Schutzfestung gewesen und erst im 15. Jahrhundert erbaut worden. Aber während der Zeit der Seidestraße diente Tasch-Rabat als zuverlässige Unterkunft für Kaufmänner und Reisende. Daher kommt auch der Name: Karawan-Serei bedeutet, aus dem Persischen übersetzt, Erholungshaus.

Wie Deutschland ein Land der Statistik ist, so ist Kirgisistan ein Land der Legenden. Auch über Tasch-Rabat gibt es im Volk viele Legenden. Nach einer, die der biblischen Geschichte der Arche Noah ähnelt, bestrafte Gott die Menschen für ihre vielen Sünden. Es kam eine große Überflutung, die alles zugrunde richtete und nur zwei Menschen am Leben ließ. Sohn und Vater, die überlebten, fingen aus Dankbarkeit an, einen Tempel aus Stein zu bauen. Aber der Tempel wurde nicht zu Ende gebaut, denn der Sohn ging mit einer Karawane weg, mit der eine schöne junge Frau fuhr, und verliebte sich ihn sie. Nach einer anderen Legende geschah es vor vielen Jahren, als die Bergbewohner noch keine Muslime waren, dass ein Heiliger aus dem fernen Ruma (Byzanz) kam. Er ließ sein Gefolge, allesamt kräftige Männer, aus Steinblöcken schnell die unzugängliche Festung bauen. Hier führten die Männer ein bescheidenes Leben, behandelten Kranke, unterrichteten die Bevölkerung und gaben Reisenden und Pilgern Unterkunft. Heute ist Tasch-Rabat ein Touristenort geworden. Aber in seiner Geschichte bleiben noch viele Rätsel, die Wissenschaftler zu lösen versuchen.

Nicht so geheimnisvoll ist die Geschichte eines anderen Denkmals der Seidenstrasse aus dem 11. Jahrhundert - der Burana-Turm, der als einziger Teil der altertümlichen Stadt Balasagun erhalten blieb. Diese Stadt war eine der größten und am besten entwickelten Städte des Staates Karachaniden (eine türkische Herrscherdynastie, die im 11. bis 12. Jahrhundert Mittelasien beherrschte). Später wurde Balasagun die Hauptstadt der Karachaniden. Im Vergleich zu anderen Städten Mittelasiens, die von mongolischen Eroberern vernichtet wurden, ist Balasagun im Jahre 1218 heil geblieben. Die Mongolen nannten diese Stadt sogar „Gobalyk“ – gute Stadt – denn die Bewohner hatten sich kampflos ergeben. Aber schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts existierte die Stadt nicht mehr, nur der Burana-Turm ist heute der Architekturzeuge der alten Zeiten.

Viele Wissenschaftler meinen, dass der Name des Burana-Turm falsch überliefert wurde. Eigentlich ist der richtige Name „monara“, was im Arabischen Minarett bedeutet, denn der Burana-Turm diente als Minarett. Bei archäologischen Ausgrabungen östlich des Turms wurden die Ruinen von Mausoleen gefunden, die aus dem selben Jahrhundert stammen wie der Turm. 

Auch über die Entstehensgeschichte des Turms gibt es verschiedene Legenden. Eine der bekanntesten und traurigsten Legende erzählt: Vor vielen Jahren befahl ein mächtiger Khan, der Herrscher der Stadt, ein Minarett zu bauen. So wollte er seine Tochter vor einem Skorpionbiss schützen, den ein Orakel vorhersagte. Aber der Vater schaffte es nicht, seine Tochter zu retten. An ihrem 18. Geburtstag wurde die Tochter von einem Skorpion gebissen, als sie Weintrauben aß. Dieser Turm ist zum Mausoleum der Khanstochter geworden.

Sehen Sie hier Bilder der Seidenstraßen-Tour:

Auf dem Territorium Kirgisistans befinden sich heute mehr als 4 000 architektonische und archäologische Denkmäler. Viele von ihnen gehören zur alten Seidenstraße. Bis heute suchen die Wissenschaftler nach Antworten über die Seidenstraßegeschichte und ihre Denkmäler. Heutzutage interessieren sich für die Seidenstraßegeschichte aber auch Touristen. Sie finden es spannend und faszinierend, die Spuren der alten Karawanen zu entdecken, wo sich verschiedene Kulturen begegneten und austauschten.

Heute ist Tourismus in Kirgisistan eine der Hauptmethoden, um die wirtschaftliche Situation im Land zu verbessern. Abenteuer und Geschichte können Touristen in Kirgisistan erleben, nicht nur historische Denkmäler, sondern auch die ursprüngliche Natur und ferne Kultur locken Gäste aus der ganzen Welt nach Kirgisistan. 

Aber natürlich ist klar: Die Seidenstraßentouren durch Kirgisistan sind bei deutschen Touristen nicht so gefragt wie zum Beispiel Touren nach Italien und Spanien. „Die Seidenstraßentour wird keinen Massentourismus geben, aber sie hat schon Potential, sich weiter zu entwickeln. Das Interessanteste auf der Reise ist, dass sie auch zivilisationsfern ist, dass die Jurten in der Landschaft stehen und die Hirten ihr Vieh auf die Wiese zum Weiden treiben“, sagt Thomas Jäger, der eine Reiseagentur leitet. Er findet, es wäre auch gar nicht besonders gut, wenn die Massen nach Kirgisistan oder Usbekistan kämen - denn dann würden die Touren ihre Besonderheit verlieren. In unseren Tagen spielt die Seidenstraße nicht die Rolle, die sie vor tausenden Jahren hatte. Aber noch heute verbindet sie Europa und Asien, verschiedene Länder und Kulturen. 

Ekaterina Khvan

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