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Panorama: Berliner Staatsbibliothek: Bücher der Könige - alt geworden

Die großen Bibliotheken in Europa sind aus den Beständen der Könige oder Klöster entstanden. Besonders in der Barockzeit wurden prunkvolle Lesesäle errichtet.

Die großen Bibliotheken in Europa sind aus den Beständen der Könige oder Klöster entstanden. Besonders in der Barockzeit wurden prunkvolle Lesesäle errichtet. Die Österreichische Nationalbibliothek in Wien hat einen der großartigsten Säle. Einen Prunksaal wollte auch der Große Kurfürst in Berlin errichten, aber dazu kam es nicht mehr. Wohl aber legte der Große Kurfürst den Grundstock für die "Bibliothek der Könige". Jeder der Herrscher Brandenburg-Preußens sorgte seit 1661 für eine einheitliche Gestaltung der Bücher und für sein Signet, das den Buchrücken schmückte. Der Große Kürfürst wählte seine Initialien "FW" für Friedrich Wilhelm und versah sie mit Zepter und Kurfürstenhut. Als der Große Kurfürst den Auftrag vergab, die Bände seiner Bibliothek in rotes Leder zu binden, wurden 3990 Felle benötigt. Acht Gesellen sollten die Arbeiten zu einem Jahreslohn von 100 Thalern erledigen. Die Themen der Bücher waren typisch für die Zeit: Architektur, Festungsbauten, Agrarwissenschaften, Staatsrecht. Friedrich der Große sorgte nach dem Ende des siebenjährigen Krieges für den Bibliotheksneubau der "Kommode" auf dem Opernplatz - heute wird er von den Juristen der Humboldt-Universität genutzt. Friedrich benutzte die ineinander geschlungenen Initialien "FR" für Fridericus Rex und darüber ist auf dem Buchrücken eine im Vergleich zu den Prägungen seiner Vorgänger schmale Krone zu sehen.

Es gab einmal 50 000 bis 70 000 dieser königlichen Bücher. In der Staatsbibliothek sind nur noch 20 000 vorhanden, und die meisten von ihnen befinden sich in einem erbärmlichen Zustand. Den Zustand verdanken die alten königlichen Prachtbände der Verlagerung in feuchte Bergwerke während des Zweiten Weltkriegs und den nicht idealen Lagerungsbedingungen in den Nachkriegsjahren. Die Feuchtigkeit hat die Papierseiten gewellt. Weitere sichtbare Schäden sind Stockflecke und Schimmelbefall, gewellte oder zerstörte Einbände, verblasstes Gold und heruntergefallene Buchrücken. Und etliche Bücher, die aus Sparsamkeitsgründen damals nur äußerlich rot angestrichen wurden, sind inzwischen fast schwarzbraun geworden.

Im Jahr 2011 feiert die Staatsbibliothek ihr 350-jähriges Bestehen. Bis dahin sollen die "Bücher der Könige" mit Hilfe von Spendern restauriert und wieder zugänglich werden. Es ist auch daran gedacht, die Bücher der Könige als geschlossene Sammlung aufzustellen und einen Teil im künftigen gläsernen Lesesaal im Ihnebau Unter den Linden zu präsentieten.

Wie bei der Restaurierung der Bachautographe ist auch diesmal die Staatsbibliothek auf Spenden angewiesen. Denn die Bücher der Könige sind nicht die einzigen Schadensfälle. Insgesamt 1,3 Millionen Bände sind in der Stabi zu restaurieren - die Gesamtkosten werden auf 250 Millionen Mark geschätzt. Im jährlichen Etat hat die Staatsbibliothek jedoch für die Bestandserhaltung nur vier Millionen Mark an Geldern zur Verfügung. Die Bestandserhaltung würde bei diesem Etatansatz 70 Jahre dauern. Diese Zeit hat die Stabi nicht, rechnet der Generaldirektor der Staatsbibliothek, Antonius Jammers, vor. Deswegen ist das Programm in Etappen aufgeteilt worden: Die ersten 1500 bis 2000 "Bücher der Könige" sollen bis 2003 restauriert werden.

Das wird Kosten in Höhe von 1,25 Millionen Euro verursachen. Allein von den technischen Anforderungen her muss die Staatsbibliothek das Gros der Restaurierungsaufträge nach außen vergeben: das Zentrum für Bucherhaltung in Leipzig ist mit den notwedigen technischen Geräten ausgestattet und verfügt über ein trainiertes Personal. Es steht unter Leitung von Professor Wolfgang Wächter, der auch die Aufsicht bei der Restaurierung der schwer geschädigten Bachautographen in der Stabi hat.

Uwe Schlicht

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