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Friedhof

© dpa

Bestattungstrend: Die Prunkgräber der mexikanischen Drogenbarone

Es herrscht Krieg in Mexiko. In ihm geht es um Anbauflächen von Marihuana und um Drogenabsatzmärkte. Diesem Krieg fallen täglich Menschen zum Opfer - auch die reichen Drogenbosse. Doch bis in den Tod hinein sind sie stolz auf ihr Leben. Ihre letzten Ruhestätten sind der Beweis.

Der Humaya-Friedhof von Culiacán ist kein Ort der Ruhe. Der Betonmischer steht nicht still. Chef-Maurer Fernando Gómez sieht sehr zufrieden aus, wenn er über seine Arbeit spricht. Er verdient gut, deshalb würde er niemals von Mexiko in die USA gehen, so wie es viele seiner Kollegen tun. Statt als illegaler Tagelöhner für die "Gringos" zu schuften, baut er lieber hausgroße Grabstätten für Drogenhändler aus Culiacán, der Hauptstadt des Bundesstaates Sinaloa im Norden Mexikos.

Schon 20 Jahre arbeitet Gómez hier, das Geschäft boomt aber erst seit kurzem. Der Humaya-Friedhof, der aussieht wie eine kleine Stadt, wächst schnell: Durchschnittlich drei bis vier Menschen sterben pro Tag im Drogenkrieg. Hunderte grell-bunte Familiengruften aus Marmor und Edelmetallen, die aussehen wir Miniatur-Kathedralen oder Paläste, sind entstanden. In diesen märchenhaften Tempeln lassen sich reiche Drogenhändler, die Narcos, bestatten.

Gómez hat gerade ein modernes, im Vergleich zu den Nachbargruften farblich eher schlichtes Designer-Grab mit Kristallkreuz und Solarzellen auf dem Dach fertig gebaut. Der Solarstrom betreibt Licht- und Klimaanlage. Fotos zeigen den Verstorbenen: Der junge Mann trägt Hut und Krokodillederstiefel, wie ein stolzer Vater hält er seine Kalaschnikow in die Kamera.

Luxustempel in zart-rosa

"Die meisten bevorzugen eine klassische Architektur", sagt Gómez. Darum überwiegen auf dem Humaya-Friedhof italienische Formen und griechische Säulen in mexikanisch-kräftigen Farben. Über einem zart-rosa Eingangsportal aus Marmor ist eine Miniatur-Propellermaschine in den Stein gehauen. Narco-Symbolik: Die Drogen wurden auf dem Luftweg in die USA gebracht, verrät die Verzierung. Der Nachbar dagegen hat sein Geschäft auf der Straße abgewickelt - davon kündet ein Lastwagen, der in die Kristalltür geschliffen ist.

Sinaloa ist die Heimat des gleichnamigen Drogenkartells und einer der am meisten umkämpften Bundesstaaten: Die Narcos streiten sich um Anbauflächen für Marihuana und um Absatzmärkte in Mexiko. Außerdem geht es ihnen um den lukrativen Transport kolumbianischen Kokains in die USA. Armee und Bundespolizei versuchen, die Kontrolle über die Region zurück zu erlangen. Seit die Regierung Felipe Calderóns im Dezember 2006 den Narcos den Krieg erklärt hat, sind in Mexiko mehr als 4500 Menschen ums Leben gekommen. In Sinaloa sind seit Mai dieses Jahres 3300 Soldaten und Bundespolizisten stationiert, aber das Morden geht weiter.

"Culiacán ist unser Bagdad", stöhnen die leidgeprüften Zivilisten. An den großen Gewinnen der Narcos sind sie nicht beteiligt. 24 Milliarden US-Dollar (15,6 Milliarden Euro) sollen mexikanische Drogenhändler im vergangenen Jahr umgesetzt haben. Erst vor wenigen Wochen hat die selten erfolgreiche Polizei Culiacáns in einem Wohnhaus fünf Millionen Dollar sichergestellt - ein Taschengeld.

Sie wissen, dass sie nicht lange leben

"Der Narco liebt es protzig und hat es nicht nötig, seinen Reichtum zu verstecken", sagt Rosy Robles, Künstlerin aus Culiacán. Sie ärgert sich darüber, dass diese "Clique von Kriminellen" unbehelligt in den größten und teuersten Autos ohne Nummernschilder durch die Stadt fahren kann. Bevorzugte Marke: der panzerartige Hummer. "Sie verprassen ihr Geld, weil sie wissen, dass sie nicht lange leben."

Tod und Gewalt bestimmen den Alltag in Culiacán. Robles hat die blutgetränkten Decken gesammelt und ausgestellt, in die Narcos ihre Opfer einwickeln, bevor sie die Pakete an den Straßenrand werfen. Vom Schrecken des Drogenkriegs ist auf dem Humaya-Friedhof nichts zu sehen. Narcos huldigen der Dekadenz bis in den Tod. "Keiner von denen hatte Angst davor, zu sterben", sagt Gómez.

Anne-Katrin Mellmann[dpa]

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