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Panorama: Betteln, aber freundlich

Im italienischen Vicenza müssen Obdachlose Verhaltensregeln beachten – sonst droht ihnen eine Geldstrafe

Wie soll man Strafen zahlen, wenn man sowieso nur von der Hand in den Mund leben muss? Diese Frage stellen sich die Bettler in Vicenza. Die Frage richtet sich an den Bürgermeister der norditalienischen Kleinstadt, die zur Region Venetien gehört und durch einige Bauwerke des Renaissancearchitekten Palladio berühmt ist und von vielen Touristen besucht wird. Enrico Hullweck von der Partei Forza Italia gibt keine Antwort. Sein Pressesprecher verkündete lediglich, dass man das Problem der immer dreisteren Bettler in den Griff bekommen wolle, und damit basta. Was aber mit Bettlern geschehen soll, die Bußgelder in Höhe von 25 bis 500 Euro nicht bezahlen können, dazu schweigt das Rathaus. Hullweck gefällt sich in der Rolle des Ordnungshüters. Schon während seines Wahlkampfes versprach er den Bürgern von Vicenza, dass er gegen die immer häufiger im Stadtbild auftauchenden Bettler vorgehen werde. Bettler, die die Menschen auf Plätzen und in den Geschäftsstraßen ansprechen, mit Papptafeln in der Hand, auf denen in gebrochenem Italienisch von Hunger und Not und Arbeitslosigkeit die Rede ist. Viele der Bettler zeigen auch ihre körperlichen Behinderungen, um auf diese Weise Mitleid zu erregen. Hardliner Hullweck hat jetzt präzise Regeln veröffentlicht, an die sich die Bettler bei Strafe halten müssen. Verboten ist fortan auf dem gesamten Stadtgebiet das demonstrative Vorzeigen körperlicher Behinderungen. Untersagt ist auch das direkte Ansprechen der Bürger mit der Bitte, doch einen Euro springen zu lassen. Sitzende Bettler müssen sich zukünftig auf den Bürgersteigen so hinsetzen, dass für Fußgänger mindestens ein Meter Platz bleibt. Die einzelnen Bettler müssen sich in der Innenstadt so verteilen, dass zwischen ihnen eine Distanz von mindestens 200 Metern besteht. Begründet werden die Verbote mit dem Hinweis auf immer mehr Proteste aus der Bevölkerung.

Ein Problem, das nicht nur Vicenza betrifft. In fast allen Städten Italiens finden sich an wichtigen Straßenkreuzungen Bettler, fast immer Ausländer, die denjenigen Autofahrern, die sich nicht gegen Zahlung einer Münze ihre Scheinwerfer putzen lassen wollen, mit dem Zerkratzen des Autolacks drohen. Die rechte Partei Nationale Allianz fordert deshalb seit Monaten ein härteres Durchgreifen der Ordnungsbehörden gegen diese, so Parteichef Gianfranco Fini, „tagtägliche Erpressung“.

Gegen den Verbotskatalog in Vicenza und das harte Durchgreifen gegen Bettler sprechen sich die lokalen Oppositionsparteien aus. Sie schlagen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für die Bettler vor. Auch die Caritas Italiana protestiert gegen die Verbote. „Anstatt die Innenstadt von den lästigen Personen zu säubern”, erklärt Don Giovanni Sandona von der Diözesankaritas, „sollte der Bürgermeister diesen Menschen seine Hilfe anbieten.“

Thomas Migge[Vicenza]

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