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Bildarchiv: Wehrmachts-Fotoschatz hinter Festungsmauern

Fast unbeachtet schlummerte über sechzig Jahre lang in einem alten Militärfort bei Paris ein riesiges Fotoarchiv der Wehrmacht: 347.000 Bilder, geschossen von deutschen Fotografen der Propagandakompanien. Ein riesiger Fundus für Historiker.

Die Propagandakompanien sollten während des Krieges Bild- und Textinformationen sammeln, die als Grundlage für Berichte in Zeitungen, Magazinen und Wochenschauen dienten. Auf den Pariser Bildern sind die Einsätze der deutschen Armee zu sehen - nicht nur in Frankreich, auch in Russland, Italien, Griechenland und Afrika. Einige wurden von ebenso bekannten wie umstrittenen Fotografen wie Hans Ertl oder Walter Frentz gemacht, die beide für die NS-Filmemacherin Leni Riefenstahl ("Triumph des Willens", "Götter des Stadions") als Kameramänner gearbeitet hatten.

Der Weg der Bilder in das Festungsarchiv ist geheimnisumwittert. "Man erzählt, dass (Propaganda-Minister Joseph) Goebbels ihre Vernichtung angeordnet hat, aber dass mehrere Lastwagenladungen in die Hände der Allierten gefallen sind", sagt Nicolas Férard, Archivar des Zentrums für Kommunikation und audiovisuelle Produktion des französischen Verteidigungsministeriums (ECPAD). Die US-Armee habe damals 1,1 Millionen Bilder erhalten, die Briten 60.000. Sie wurden später an die Bundesrepublik übergeben. Nicht aber die in Frankreich verbliebenen Negative und Abzüge.

"Bilder von großer Qualität"

Sechs Jahrzehnte lang hat das Verteidigungsministerium einen Mantel des Schweigens über die Bilder gelegt. "Aus Furcht vor Missverständnissen", wie die Archiv-Beauftragte Violaine Challéat sagt. "Man wollte nicht zuviel darüber reden, dass die französische Armee Wehrmachtsbilder aufbewahrt, auf denen zuweilen Hakenkreuze zu sehen sind." 2004 und 2005 wurde der Zugang zu dem Fotoarchiv dann vorübergehend sogar beschränkt.

Die dort gelagerten Negative haben kaum etwas von ihrer Schärfe und ihrem Kontrast verloren. "99 Prozent wurden mit Leica-Kameras gemacht", sagt Férard. "Das sind Bilder von großer Qualität." Der 33-Jährige arbeitet schon seit fast zehn Jahren an der Klassifizierung des Archivs - eine Sisyphusarbeit. Denn in den 50er Jahren wurden Legenden und Fotos bei einer Umlagerung getrennt.

Von Zeit zu Zeit bekommt Férard Besuch von Forschern deutscher Museen oder Institute. Einige der Fotos landeten auch in der 1995 erstmals gezeigten Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Das hochumstrittene Projekt musste dann vorübergehend ausgesetzt werden, weil Historiker auf die Fehler in der Legendenbeschriftung verwiesen.

Besatzungszeit in Frankreich noch nicht aufgearbeitet

Férard berichtet von einigen Bildern, auf denen Menschen ein Massengrab ausheben mussten, bevor sie durch Wehrmachtssoldaten getötet wurden. Als Schauplatz wurde in der Ausstellung irrtümlich Serbien im August oder September 1941 angegeben. Die Macher verließen sich dabei auf eine handschriftliche Eintragung eines unbekannten Archivbesuchers auf einem Album in Ivry.

In Frankreich, in dem einige Kapitel der Besatzungszeit noch längst nicht aufgearbeitet sind, könnten die Bilder auch das Phänomen der Kollaboration erhellen, glaubt Férard. Er zeigt einige, auf denen französische und deutsche Posten Seite an Seite zu sehen sind, als sie Zwangsarbeiter beim Festungsbau überwachen. "Ein Historiker könnte hier Material finden, um die Kollaboration von französischen Unternehmen zu illustrieren, die sich im Krieg bereichert haben", schlägt der Archivar vor. (AFP)

Hervé Asquin

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