zum Hauptinhalt

Panorama: Blutiges Eis

In Kanada beginnt heute die Saison des Robbenschlachtens – mehr als eine Million Jungtiere dürfen getötet werden

Charlottetown (dpa). Das Packeis im Nordosten Kanadas war am Montag noch überall blütenweiß. Doch bald wird es blutrot und mit abgehäuteten Kadavern junger Robben übersät sein. Im St.Lorenz-Golf und vor Neufundland beginnt an diesem Dienstag erneut das weltweit größte Schlachten von Wildtieren nach der Massentötung von Kängurus in Australien.

Hunderte Fischer ziehen mit Gewehren, Knüppeln und Bootshaken los. Bis Mitte Mai werden sie 350 000 Sattelrobben und Klappmützen töten. „Das ist keine Jagd“, sagt Rebecca Aldworth vom Internationalen Tierschutz-Fonds (IFAW). „Das ist ein Massaker. Die meisten Robben, die sie umbringen, sind kaum vier Wochen alt.“ Tierschützer beklagen vor allem das „inhumane Töten“. Tausende Robben würden entgegen Auflagen der kanadischen Regierung bei lebendigem Leib gehäutet. „Unzählige werden im Wasser angeschossen und nicht gefunden. Sie verenden qualvoll“, sagt Aldworth. „Die wenigen Kontrollen können solche Grausamkeiten kaum verhindern.“ Seit Urzeiten ziehen die Meeressäuger vor dem Winter aus der Randregion der Arktis in die etwas wärmeren Packeisgebiete vor Neufundland und im St.-Lorenz-Golf. Dort bringen sie Ende Februar ihre Babys zur Welt. Die Jungrobben sind eine leichte Beute, denn sie können noch nicht oder nur an der Wasseroberfläche schwimmen.

Aufsehen erregende Protestaktionen, an denen sich einst Stars wie Brigitte Bardot beteiligten, hatten Einschränkungen der Jagd bewirkt. Kanada untersagte die Tötung von „Whitecoats“, wie die Sattelrobben genannt werden, ehe sie 12 Tage nach der Geburt ihr weißes Fell abstreifen und der silbergraue Pelz zum Vorschein kommt. 1987 wurde das kommerzielle Schlachten weitgehend verboten.

Doch wenige Jahre später begann im Fischereiministerium in Ottawa das Umdenken. Die Schlachtquoten wurden so weit erhöht, dass in den Jahren 2003 bis 2005 insgesamt mehr als eine Millionen Robben getötet werden dürfen – 975 000 Sattelrobben und 30 000 der selteneren Klappmützen. Die Fischindustrie und die Vereinigung der Robbenjäger setzten sich mit dem Argument durch, dass die niedlichen Tierchen mit den dunklen Kulleraugen nichts anderes seien als junge „Seewölfe des Eises“. Robben seien schuld an der Dezimierung der Fischbestände vor Kanada, am Zusammenbruch der Kabeljaufischerei in den 90er Jahren und dem Verlust von Arbeitsplätzen, sagt Ken Campbell, ein Sprecher der kanadischen Fischindustrie. Dank der Robbenjagd konnte die angeschlagene Branche 2003 zusätzlich rund 15 Millionen Dollar (12,3 Millionen Euro) durch den Export von Fellen nach Norwegen, Dänemark und China verdienen.

Tierschützer räumen ein, dass die wirtschaftliche Lage vieler Fischer mies ist. Schuld daran seien aber nicht die Robben sondern eine rigorose Überfischung durch kanadische und ausländische Trawlerflotten. „Als hier die ersten Europäer landeten, gab es Kabeljau in Massen und rund 30 Millionen Robben“, sagt Paul Watson von der Organisation Sea Shepherd. Heute gebe es nach einem Rückgang wieder mehr als fünf Millionen Sattelrobben, rechnet das Fischereiministerium vor. Der IFAW spricht von weniger als vier Millionen und einer Gefährdung des Bestands, wenn die Schlachtquoten nicht verringert werden.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false